SPD will Multi-Media-Debatte forcieren

Zur Einbringung der Großen Anfrage

"Multi-mediale Kommunikation - Stand und Perspektive der Entwicklung in Deutschland"

erklären die SPD-Bundestagsabgeordneten Hans Martin Bury, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Post und Telekommunikationder und Arne Bornsen, Vorsitzender des Ausschusses für Post und Telekommunikation des Deutschen Bundestages :

Informationsgesellschaft und Multi-Media sind in der öffentlichen Diskussion zu zentralen Themen geworden. Die Vernetzung von Computer, Telefon und audiovisuellen Medien und neue Übertragungswege, die in der Lage sind, große Mengen elektronischer Daten der unterschiedlichsten Art mit hoher Geschwindigkeit zu übermitteln, werden eine Vielzahl neuer, elektronisch gestützter interaktiver Dienstleistungen ermöglichen, die heute erst in Ansatzen erkennbar sind.
Es geht dabei nicht nur um die Übertragung weiterer Fernsehprogramme, sondern um völlig neuartige Angebote, z.B. im Bereich der Information, des Handels, der Produktion und der Arbeitswelt, der Aus- und Fortbildung, des Gesundheitswesens und der Freizeit, die nachhaltigen Einfluß auf unser privates und berufliches Leben haben werden.

Der Ausbau der dazu erforderlichen telekommunikationstechnischen Infrastruktur und die Entwicklung anwendungsorientierter Dienste im Multi-Media-Bereich ist fur die Zukunft unseres Landes von zentraler Bedeutung.
Wir müssen auf die Technologien des 21. Jahrhunderts setzen, wenn neue, hoch qualifizierte Arbeitsplatze in Deutschland entstehen sollen. Angesichts der strategischen Bedeutung muß der Staat die Entwicklung im Bereich Multi-Media aktiv gestalten und technologische Innovationen unterstützen.

Für die Entwicklung und die Akzeptanz von Multi-Media-Diensten ist ein gesamtgesellschaftlicher Dialog erforderlich, in dem die Chancen, aber auch die Risiken vorurteilsfrei offengelegt und möglicher gesetzgeberischer Handlungsbedarf aufgezeigt wird.
Während uber die Perspektiven der technischen Basis für die Multi-Media-Infrastruktur weitgehend Klarheit besteht, herrscht grose Unsicherheit darüber, welche neuen multimedialen Dienste kommerziell erfolgreich und von einer Vielzahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern als erwünscht und als Bereicherung ihres Lebens angesehen werden. Um zu klären, für welche Dienstleistungen ein Bedarf besteht und welche Infrastrukturen dafur geschaffen werden mussen, ist ein Dialog mit den potentiellen Nutzern erforderlich.
Die Breite möglicher künftiger Multi-Media-Dienste muß deshalb auch in Deutschland erprobt und mit einem Dialog uber Chancen und Risiken von Multi-Media verbunden werden, der sich mit den gesellschaftspolitischen Auswirkungen und den möglichen sozialen und kulturellen Veranderungen auseinandersetzt.

Um diesen Dialog zu forcieren und erstmals im Deutschen Bundestag in aller Breite uber das Thema Multi-Media zu debattieren, hat die SPD-Bundestagsfraktion eine Große Anfrage

"Multimediale Kommunikation - Stand und Perspektive der Entwicklung in Deutschland"
im Deutschen Bundestag eingebracht.

Es folgt der Text der Großen Anfrage


Deutscher Bundestag     

Drucksache 13/13. Wahlperiode 



Große Anfrage



der Abgeordneten Arne Bornsen (Ritterhude), Hans Martin Bury, Anke Fuchs (Koln),

Gerd Andres, Klaus Barthel, Lieselott Blunck, Dr. Ulrich Bohme (Unna), Tilo

Braune, Edelgard Bulmahn, Ursula Burchardt, Wolf-Michael Catenhusen, Peter

Enders, Lothar Fischer (Homburg), Dr. Peter Glotz, Stephan Hilsberg, Dr. Uwe

Jens, Walter Kolbow, Horst Kubatschka, Dr. Uwe Kuster, Christine Kurzhals, Doris

Odendahl, Dr. Edelbert Richter, Gunter Rixe, Gerhard Rubenkonig, Horst

Schmidbauer (Nurnberg), Heinz Schmitt (Berg), Bodo Seidenthal, Wolfgang Thierse,

Franz Thonnes, Adelheid Troscher, Ute Vogt (Pforzheim), Reinhard Weis (Stendal),

Dr. Peter Struck, Rudolf Scharping und der Fraktion der SPD





Multimediale Kommunikation - Stand und Perspektive der Entwicklung in

Deutschland





Die Digitalisierung der Telekommunikationsvermittlungstechnik, die weitere

Kapazitatssteigerung und Kostensenkung der Mikroprozessoren und neue

Technologien bei der Ubertragungstechnik ermoglichen neue Anwendungen, die unter

dem Schlagwort Multimediale Kommunikation und interaktives Fernsehen diskutiert

werden. Die Dynamik dieser Entwicklung in den USA wird u.a. gekennzeichnet durch

die Unternehmenspolitische Integration der Telefon- und

Kabelfernsehprogrammanbieter und die Kooperation von Computerfirmen,

Ubertragungstechnikanbietern und Konzernen, die u.a. Vermittlungstechniken

anbieten.



Erste Pilotprojekte werden vorbereitet bzw. sind bereits in der Erprobung, so

z.B. in Orlando, Chicago, Utah (USA) bzw in Grosbritannien, Italien und Abu

Dhabi. Dabei werden Systeme für video-on-demand, distance learning,

tele-medicine und Programme zum Einsatz multimedialer Kommunikation im

allgemeinbildenden Schulwesen erprobt. Telefon- und Computergesellschaften

rusten Schulen und Hochschulen mit Personal Computern aus und schaffen damit die

Infrastruktur zur Anwendung der neuen Technologien.



Voraussetzung zur Anwendung multimedialer Kommunikation ist die Schaffung einer

breitbandigen Telekommunikationsinfrastruktur.



Volkswirtschaften, die an der Realisierung der in multimedialer Kommunikation

vorhandenen 

Beschaftigungspotentiale teilhaben wollen, mussen rechtzeitig

anwendungsorientierte Technologien zur Verfugung stellen und die praktische

Umsetzung demonstrieren. Dies tragt gleichzeitig dazu bei, die Akzeptanz der

neuen Techniken zu erhohen.



Wahrend Klarheit uber die Perspektiven der technischen Basis für die

Multi-Media-Infrastruktur besteht, herrscht noch eine grose Unsicherheit

daruber, welche neuen multimedialen Dienste kommerziell erfolgreich und von

einer Vielzahl von Verbraucherinnen und Verbrauchern als erwunscht und als

Bereicherung ihres Lebens angesehen werden. Vorrangig mus deshalb im Dialog mit

den potentiellen Nutzern geklart werden, für welche Dienstleistungen ein Bedarf

besteht und welche Infrastrukturen dafur geschaffen werden mussen. Deshalb mus

die Breite moglicher kunftiger Multi-Media-Dienste in dezentralen Pilotprojekten

auch in Deutschland erprobt werden. Nur so haben wir eine Chance, Entscheidungen

fur Multimedianutzungen zu treffen, die wirtschaftlichen Nutzen versprechen und

als Fortschritt für das Leben der Menschen empfunden werden konnen. Diese

Erprobung mus mit einem Dialog uber Chancen und Risiken von Multi-Media

verbunden werden, der sich mit den gesellschaftspolitischen Auswirkungen und den

moglichen sozialen und kulturellen Veranderungen in unserer Gesellschaft

auseinandersetzt.





Wir fragen deshalb die Bundesregierung:



1. Wie beurteilt die Bundesregierung den Stand der Entwicklung in

Telekommunikation, Computertechnologien und Ubertragungstechniken bezuglich der

Anwendung multimedialer Kommunikation in Deutschland im Vergleich zu

Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan und den USA?



2. Im Gegensatz zur Initiative der US-Regierung, die die Schaffung eines

Informations-Highway als nationale Aufgabe definiert hat, fehlt eine europaische

Vision für einen derartigen Netzausbau. für eine solche Vision ist politische

Fuhrung erforderlich. In Europa findet bisher aber weder eine ausreichende

Aufklarung der Offentlichkeit uber die Bedeutung von Multi-Media und

Datenautobahnen statt, noch ergreifen die Regierungen 

auf nationaler oder, was noch sinnvoller ware, auf europaischer Ebene die

Initiative, um die europaische Industrie zu unterstutzen und anzuspornen.

Europaische Firmen weisen inzwischen klare Schwachen bei wichtigen

Multi-Media-Bausteinen auf: Bei TV Set Top Boxen, bei Video Servers, bei

Personal Digital Assistants. In welcher Form will die Bundesregierung hier

initiativ werden?



3. Welche Masnahmen zur Unterstutzung konkreter Anwendungsbereiche der

multimedialen Kommunikation in Deutschland, insbesondere hinsichtlich des

Erziehungs- und Bildungswesens, des Gesundheitswesens, der Telearbeit und der

Unterhaltungsindustrie hat die Bundesregierung ergriffen? 



4. Im Herbst letzten Jahres sind zahlreiche Antragsteller für Multi-Media

Projekte mit Hinweis auf die Finanzlage vom Projekttrager des BMBF abschlagig

beschieden worden. Ist die Bundesregierung bereit, auch weiterhin Multi-Media

Pilotprojekte zu unterstutzen, um sowohl die Anwendungsreife nachzuweisen, als

auch einen breiten gesellschaftlichen Dialog auf der Grundlage konkreter

Anwendungsbeispiele zu initiieren. Was unternimmt die Bundesregierung, um

benutzerfreundliche Anwendungssoftware und Schnittstellen zu fordern?



5. Welche Regelungen sieht die Bundesregierung vor, um einen offenen,

jedermann zuganglichen, diskriminierungsfreien Zugang zu Netzen und Diensten zu

gewahrleisten und eine Spaltung der Gesellschaft in sogenannte "haves" und "have

nots" zu verhindern?



6. Welche konkreten Masnahmen hat die Bundesregierung eingeleitet bzw.

vorgesehen, um die auf dem G 7-Gipfel zur Informationsgesellschaft beschlossenen

Projekte umzusetzen?



7. Die Forschungsnetze in Grosbritannien und USA arbeiten mit einer

Kapazitat von 155 Mbit. Das deutsche Forschungsnetz (DFN-Verein) ist seit Jahren

nicht uber ein 2 Mbit-Netz herausgekommen. Welcher Zeitplan ist für eine

Kapazitatserweiterung des DFN-Netzes vorgesehen?



8. Welche Masnahmen zur Umsetzung der grundgesetzlichen Verpflichtung zur

Gewahrleistung einer modernen Infrastruktur, insbesondere zur Schaffung eines

breitbandigen Kommunikationsnetzes beabsichtigt die Bundesregierung zu

ergreifen? Welchen Zeitraum sieht die Bundesregierung bei der Bereitstellung des

Netzes als realistisch an?



9. Welche Konfliktfelder bezuglich der Sicherung der Informations- und

Meinungsvielfalt sowie der Datensicherheit und des Datenschutzes ergeben sich

bei der Anwendung von Multi-Media. Welche gesetzlichen Anderungen sind ggfs.

erforderlich, beispielsweise hinsichtlich des Daten-, Jugend- und

Verbraucherschutzes?



10.  Welche Moglichkeiten sieht die Bundesregierung, das Urheberrecht durch

eine Kombination von rechtlichen Regelungen und technischen Vorkehrungen zu

gewahrleisten?



11. Welche Chancen und Risiken sieht die Bundesregierung bei den o.g.

Anwendungsfeldern und welche gesetzlichen Initiativen bebsichtigt sie, um

u.a.die sozialpolitischen Auswirkungen zu begleiten bzw, wie bei der Telearbeit,

insbesondere hinsichtlich Arbeitsschutz-, Haftungs- und Datenschutz, offensiv

abzufedern?



12.  Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, um die Entwicklung

der multi-medialen Kommunikation in ihren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft

zu untersuchen und welche Begleitforschung wird dazu durchgefuhrt bzw. ist

vorgesehen?



13. Wie bilanziert die Bundesregierung die Beschaftigungspotentiale -

aufgeteilt nach Berufsgruppen und Qualifikationsebenen - in der Anwendung von

MultiMedia, womit begrundet sie dies und welche unterstutzenden Masnahmen

seitens des Gesetzgebers sind erforderlich?



14. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen von Multi-Media im

Hinblick auf die Konzentrationsentwicklung in der Wirtschaft und strukturelle

Verschiebungen in den verschiedenen Industrie- und Dienstleistungsbereichen und

welche wettbewerbs-, verbraucherschutz- und strukturpolitischen Masnahmen

beabsichtigt sie zur Abfederung negativer Auswirkungen zu ergreifen?



15. Multimedia bewegt sich an einer Grenze zwischen bundespolitischer

Zustandigkeit der Kommunikationspolitik und der Sicherung einer modernen

Infrastruktur sowie der landespolitischen Zustandigkeit bezuglich Rundfunk- und

Kulturhoheit. Wo sieht die Bundesregierung Uberschneidungen und entsprechenden

Handlungsbedarf auf 

Bundes- bzw. Landesebene; welche Initiativen hat die Bundesregierung ergriffen

bzw. beabsichtigt sie zu ergreifen, um eine rechtzeitige Klarung der

Zustandigkeiten zu erreichen und damit die Anwendung von Multi-Media zu

unterstutzen und zu forcieren?





16. Welche Vorkehrungen trifft die Bundesregierung auch auf europaischer

Ebene, um den Misbrauch der modernen Telekommunikationsdienste beispielsweise

durch rechtsextreme Gruppierungen bzw. durch kriminelle Vereinigungen zu

verhindern und die Uberwachbarkeit dieser Dienste, insbesondere auch des

Fernmeldeverkehrs, zu gewahrleisten?