Isolation und Einsamkeit bei Netznutzern ? Oeffentliche Diskussion und empirische Daten (c) 1995 Nicola Doering, TU Berlin, Institut fuer Psychologie, FB 11 Ich danke Olaf Titz fuer kritische Hinweise zu diesem Aufsatz. Das Werk ist urheberrechtlich geschuetzt. Die dadurch begruendeten Rechte, insbesondere die der Uebersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder aehnlichem Wege, der Verbrei- tung in Datennetzen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Ein Zitieren dieser elektronischen Publikation ist moeglich unter Verweis auf folgenden URL: ftp://ftp.uni-stuttgart.de/pub/doc/networks/misc/netz_und_einsamkeit Der folgende Text enthaelt den Ergebnisbericht einer empirischen Untersuchung, sowie ausfuehrliche Hinweise zu theoretischem und methodischem Hintergrund. Inhalt: Zusammenfassung Einleitung 1. Netznutzung und psychologische Folgen 1.1. Theoretische Arbeiten 1.2. Empirische Untersuchungen 2. Einsamkeit und Isolation bei Netznutzern: Die Untersuchung 2.1. Untersuchungsdurchfuehrung 2.2. Stichprobenbeschreibung 2.3. Fragebogenguete und Akzeptanz 2.4. Hypothesen und Ergebnisse 3. Zusammenfassung und Diskussion Literatur Anhang ....................................................................... Zusammenfassung Die These, dass sich die Menschen in unserer heutigen Gesellschaft zunehmend voneinander entfremden und immer staerker vereinsamen, ist sehr populaer. Unter anderem werden gerade die modernen Informa- tions- und Kommunikationstechniken als wesentliche Einsamkeits- ausloeser beschrieben: Medial vermittelte Kommunikation gilt als defizitaer, kalt und unmenschlich, und nicht selten wird ein Bild des kontaktgestoerten, isolierten und lebensfremden Computernutzers beschworen. Die bislang vorliegenden empirischen Daten zeigen jedoch weder einen Trend zur Vereinsamung in Deutschland noch ein besonders auffaelliges oder gar pathologisches Sozialverhalten bei Computernutzern. Entgegen gaengigen Stereotypen ueber "technikzentrierte Computersuechtige", ist zu vermuten, dass aktive Netznutzer eher weniger einsam und besser sozial integriert sind als der Bevoelkerungsdurchschnitt, sofern sie die Kommunikationsmoeglichkeiten des Netzes in Anspruch nehmen. Da bislang keine direkten Einsamkeitsdaten von Netznutzern verfuegbar waren, wurde 1994 eine Fragebogenuntersuchung durchgefuehrt, an der sich N=350 Netznutzer (4% Frauen, 96% Maenner) beteiligten (Durch- schnittsalter: 27 Jahre). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zahlrei- che Behauptungen ueber Einsamkeit am Computer empirisch nicht haltbar sind. Weder scheint Netznutzung auf die Dauer in die Verein- samung zu fuehren, noch ersetzen Netz-Kontakte persoenliche Kontakte. Netzaktivitaeten dienen nicht, wie oft unterstellt, der Realitaetsflucht, sondern koennen in vielfaeltiger Weise zur Alltagsbewaeltigung beitragen. ....................................................................... Einleitung Das Leben in der technisierten und computerisierten Informationsge- sellschaft scheint den Menschen nicht zu bekommen. Laengst ist die Technik zum Fluch geworden, Information zum Informationschaos verkommen. Passiv und vereinzelt vor flimmernden Fernsehschirmen und Computermonitoren sitzend, vertiefen sich die Menschen in realitaets- ferne Scheinwelten. Wo man sich frueher noch traf, einander gegenueber sass und sprach, wird heute rasch telefoniert, gefaxt oder eine elektroni- sche Nachricht verschickt. Kontakte verarmen, die menschliche Psyche degeneriert, weil Menschen gezwungen sind, sich der Technologie anzu- passen. Computersucht, Beziehungsunfaehigkeit, technisches Denken gefaehrden bereits die Kinder. Und dabei verbauen all die neuen techni- schen Moeglichkeiten nur den Blick auf das Wesentliche, lenken davon ab, was Menschen zum Glueck wirklich brauchen: das direkte Zusam- mensein mit anderen Menschen. Der Computer kann den Menschen nicht ersetzen. Aeusserungen der oben genannten Art tauchen in Massenmedien, Fach- publikationen und Privatgespraechen auf (vgl. Doering 1994). Journalisten und Publizisten, Sozialwissenschaftler und Paedagogen, Medien- und Gesellschaftskritiker warnen recht einhellig vor den nega- tiven Auswirkungen des Computereinsatzes. Die zwischenmenschlichen Beziehungen scheinen gefaehrdet, Vereinsamung droht. Wie stichhaltig sind derartige Behauptungen? Wie werden sie theoretisch begruendet? Welche empirischen Befunde ueber Netznutzer und ihre So- zialbeziehungen liegen bislang vor? Und kann man "Netznutzer" ueber- haupt als einheitliche Gruppe beschreiben? 1. Netznutzung und psychologische Folgen Die sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Computernutzung und Computernetzen boomte in den 80er Jahren. Theoretisch-speku- lative Arbeiten, allenfalls durch anekdotische Evidenzen und spektaku- laere Einzelfallbeschreibungen angereichert, dominieren bis heute das Feld. Allerdings waechst in den letzten Jahren auch in Deutschland die Zahl der empirischen Untersuchungen zu Computereinsatz und Netz- nutzung. 1.1. Theoretische Arbeiten Theoretische Arbeiten sind im Gegensatz zu empirischen Beitraegen haeufig staerker polarisiert, d.h. sie malen entweder einseitig positive oder einseitig negative Szenarien (2.1.1). Die Negativ-Szenarien der Computer-Kritik werden durch die Konzepte der Mediatisierung, Informatisierung, Technisierung und Sucht begruendet (2.1.2). Insgesamt entsteht ein Bild der beziehungslosen und einsamen Infor- mationsgesellschaft (2.1.3) 1.1.1. Technikeuphorie und Technikfeindlichkeit Technische Innovationen werden von grossen Hoffnungen und grossen Aengsten begleitet. Hoffnungen auf eine andere, bessere Zukunft hegen und verbreiten die einen, Aengste vor der nahenden Katastrophe schueren die anderen. So ist es auch bei der Vernetzung. Die vernetzte Gesellschaft kann demokratisch und modern im besten Sinne vorgestellt werden: Als Gemeinschaft gut informierter, kreativer, sozial integrierter Weltbuerger, die ihr Privatleben in starkem Masse selbst bestimmen und die oeffentlichen Angelegenheiten aktiv mitgestalten. Die vernetzte Ge- sellschaft kann aber auch als Ort der totalitaeren Kontrolle von Arbeit und Freizeit, als Klassengesellschaft der Wissenden und Unwissenden, als Gemeinschaft medial manipulierter und verdummter Untertanen entworfen werden. Beides sind Extrempositionen. Vereinfacht kann man sagen, dass positive Technikutopien eher von Technikern, Informatikern, Programmierern und Vertretern der IuK- Industrie propagiert werden, waehrend Technikkritik als Bestandteil der Gesellschaftskritik haeufiger aus dem psychosozialen Bereich stammt und in der breiten Oeffentlichkeit Gehoer findet, die selbst in hoeherem Masse technikabstinent ist (zumindest hinsichtlich der jeweiligen technischen Innovationen). Technikkompetenz fuehrt freilich nicht automatisch zu blinder Technikglaeubigkeit - wie Technikkritiker gerne unterstellen. Fundierte Technikkritik setzt vielmehr theoretisches und praktisches Technikwissen gerade voraus, so kann man sicherlich nicht wenigen Mitgliedern des Chaos Computer Clubs sowohl Technikkom- petenz als auch eine dezidiert kritische Haltung gegenueber bestimmten Aspekten der Vernetzung unterstellen, die z.B. in den Beitraegen der "Datenschleuder" zum Ausdruck kommt. Die Oberflaechlichkeit mancher vermeintlichen Technikkritik erwaechst gerade aus ihrer Distanz zum Untersuchungsobjekt. Distanz zur Technik wird von Technikkritikern wiederum zuweilen als Voraussetzung der kritischen Analyse propagiert: man will vermeiden, sich von der Faszi- nation des Mediums blenden zu lassen, eine Begruendung, die eine recht "magische" Vorstellung von Technik impliziert. Nicht zu vergessen ist auch, dass Technikkritik instrumentalisiert werden kann, um die eigene Ignoranz zu kaschieren und Technik-Abstinenz als Vernunft zu tarnen. Technikeuphorie und Technikfeindlichkeit stabilisieren und perpetuieren sich gegenseitig. So werden Computerkritiker nicht muede, zu betonen, "der Computer" koenne "den Menschen" nicht ersetzen. Diese Trivia- litaet ist nur deswegen ueberhaupt von Bedeutung, weil tatsaechlich euphorische Computerwissenschaftler die Konstruktion "intelligenter Computer" in Aussicht gestellt hatten, freilich ohne dass eine Realisation dieser Phantasien auch nur absehbar waere. Dass Computerkritikern manche Phantasien von Technikern nicht gefallen, ist verstaendlich. Bedauerlich ist jedoch, dass sich Technikkritik haeufig auf die Kritik an Technikvisionen beschraenkt und die tatsaechlich realisierten Technikan- wendungen aus dem Blick verliert. 1.1.2. Mediatisierung, Informatisierung, Technisierung, Sucht Die Diskussion um den "deformierten Menschen" in der "verkabelten Gesellschaft" (z.B. Bleuel 1984) flammte Anfang der 80er Jahre auf und praesentierte das pessimistische Zukunftsszenario eines allein durch Btx mit der Aussenwelt verbundenen Einsiedler-Lebens zwischen Kabelfern- sehen, Computerspiel und Telearbeit. Dass Btx die Menschen nicht davon abhalten konnte, ihre Wohnungen zu verlassen, einkaufen zu gehen und ein soziales Leben zu fuehren, ist mittlerweile klargeworden. Die Vorstellung, dass medial vermittelte Interaktion der Face-to-Face- Kommunikation in jeder Hinsicht unterlegen ist, haelt sich bis heute und bekommt besondere Brisanz, weil nach wie vor Computerkritiker ganz selbstverstaendlich davon ausgehen, dass computervermittelte Kom- munikation den "echten" persoenlichen Austausch auf die Dauer ersetzt. Die Computer-Kritik nennt insbesondere vier Negativ-Folgen der Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechniken: a) Mediatisierung der Erfahrung: Direkte, sinnliche Welterfahrung wird durch indirekte, medial ver- mittelte Erfahrungen ersetzt. Dies gilt sowohl fuer zwischenmen schliche Beziehungen als auch fuer den Umgang mit der dinglichen Welt. b) Informatisierung der Kommunikation: Kommunikation und Informationsaustausch muessen sich den Erfordernissen der Informationstechnik anpassen, was zu Formalisierung, Standardisierung, Versachlichung, Ent-Emo tionalisierung und Reduktion auf das Wesentliche fuehrt. c) Technisierung des Menschen: Die Nutzer neuer Informations- und Kommunikationstechniken muessen sich der formal-logischen Maschinenwelt anpassen, die durch Steuerbarkeit und Kontrolle, Regelhaftigkeit und Eindeutig- keit sowie Zweck-Mittel-Rationalitaet gepraegt ist. Dies fuehrt zum "maschinellen Charakter" (Pflueger/Schurz 1987), zur "technikzen trierten Persoenlichkeit" (Sinhardt-Pallin 1990; Volpert 1985), zum "digitalen Denken" (Kubicek/Rolf 1986: 262). d) Sucht: Der Computer als Universalmaschine oder "Wunschmaschine" (Turkle 1984) uebt auf Kinder, Jugendliche und Erwachsene grosse Faszination aus. Mediatisierung, Informatisierung und v.a. die Technisierung der Lebenswelt kommen Wuenschen nach Verein fachung, Kontrolle und Herrschaft entgegen. Darin liegt auch die Suchtgefahr: Technikbeherrschung suggeriert Macht und Ueberlegen heit. Insbesondere Personen mit niedrigem Selbstwertgefuehl werden leicht suechtig nach technikvermittelten Gefuehlen von Tuechtigkeit, Erfolg und Macht. All diese Punkte sind auch auf Netznutzung anwendbar. So argumentiert Volpert (1985), dass Email-Partner nicht als "Menschen" wahrgenom- men werden und Computernutzer zu emotionslosen, technikzentrierten, einseitig leistungsorientierten Einzelgaengern degenerieren. Einige Philosophen verbinden mit der Verbreitung moderner Informations- und Kommunikationstechnologie in erster Linie modernen Kulturverfall: "Das Eindringen des technisch-wissenschaftlichen Apparates in den kulturellen Bereich bedeutet keineswegs, dass dadurch im Geist Erkenntnis, Sensibilitaet, Toleranz und Freiheit zunaehmen. Indem man diesen Apparat staerkt, emanzipiert man nicht den Geist, wie die Aufklaerung es noch hoffen konnte. Wir machen eher die umgekehrte Erfahrung: neue Barbarei, Neoanalphabetismus und Verarmung der Sprache, neue Armut, eine gnadenlose Umformung der Meinung durch die Medien, eine Verelendung des Geistes, eine Atrophie der Seele...." (Lyotard 1990: 155f.). Wie und wo "wir" diese "Erfahrung" machen, bleibt ebenso unklar wie der suggestiv angesprochene Wirkungszusam- menhang, der von Telekommunikation zu "Barbarei" und "Verelendung des Geistes" fuehrt. 1.1.3. Beziehungslosigkeit in der elektronischen Welt Die These von der Beziehungslosigkeit in der "Informationsgesellschaft", die sich in die populaere Vereinsamungsdebatte einreiht, kommt pointiert in folgendem Zitat zum Ausdruck: "Wenn Menschen sich gegenseitig nicht aufsuchen koennen, ist technisch unterstuetzte Kommunikation eine Bereicherung. Wo aber das bequeme Medium den Besuch ersetzt, zerstoert die Technik soziale Beziehungen. Je weiter aber reale Nachbarschaften durch kuenstliche ersetzt werden, desto mehr wird der Raum zur Einuebung, zum Erlernen von sozialem Verhalten und Selbstbestimmung verengt bzw. gestoert. Soweit in Zu- kunft persoenliche Kommunikation durch IuK-Technik zurueckge- draengt wird, koennte sie die bisherige Form der Persoenlichkeitsbildung - und damit Identitaet und Integritaet der Person - veraendern und gefaehrden. Denn persoenliche Kommunikation ist notwendig fuer die Entwicklung von Persoenlichkeit... Ich-Gefuehl kann sich jedoch nicht gegenueber einem Fernseher oder einem Computer entwickeln. Identitaetsstiftende Erfahrungen setzen die aktive Auseinandersetzung mit Lebendigem, vor allem zwischen- menschliche Interaktionen voraus...Der Verlust realer Erfahrung der sozialen Wirklichkeit beeinflusst jedoch nicht nur die Entfaltung der Persoenlichkeit und das Entstehen eines Selbstbildes, sondern auch die Faehigkeit zur Sozialitaet... Intensive Nutzung von Computern und Tele- kommunikation duerfte nicht nur Beziehungs- und Bindungsfaehigkeit, Liebe und Sexualitaet veraendern, sondern auch die Faehigkeit sozialen Interagierens ueberhaupt." (Rossnagel et al. 1990: 235ff.) Ueberlegungen wie die oben zitierten sind in der Literatur in grossen Mengen zu finden, leider wird oft auf eine Anbindung an bislang vorliegende empirische Befunde zur Psychologie der Mediennutzung und Medienwirkung vollkommen verzichtet. Da das Zusammensein mit Familie und Freunden fuer die meisten Menschen aeusserst wuenschens- wert ist, scheint es wenig plausibel, dass Mediennutzung ausgerechnet auf Kosten dieses Lebensbereiches gehen soll. Wahrscheinlicher ist es, dass Netznutzung auf Kosten des Zeit-Budgets anderer Medien (z.B. des Fernsehens) geht. So koennte man spekulieren, dass Internet-Nutzer, die an eine aktive und produktive Mediennutzung und -gestaltung gewoehnt sind, dem eher rezeptiv orientierten Fernsehen auf Dauer weniger abgewinnen. Auffaellig und gleichzeitig typisch fuer die populaere Medienkritik ist die Gleichsetzung von Veraenderungen mit Verschlechterungen. Begreift man etwa Netz-Kommunikation als Ergaenzung zu Face-to-Face-Kom- munikation und anderweitiger medialer Kommunikation (z.B. Telefon, Brief), ergibt sich daraus keine Situation eingeschraenkter sondern vielmehr erweiterter sozialer Lernmoeglichkeiten. So mag es vielleicht sein, dass sich langfristig die soziale Identitaet aktiver Internet-Nutzer (die tagtaeglich nationale und kulturelle Barrieren ueberwinden) veraendert. Diese Veraenderung ist keineswegs nur als "Ich-Verlust vor dem Computer" denkbar, sondern auch als Entwicklungsprozess in Richtung einer Wir-Identitaet, die lokale Grenzen ueberwindet (zur Entwicklung moderner, globaler Wir-Identitaet vgl. Elias 1987). Diese Gedanken sind natuerlich ebenso pruefungsbeduerftig wie die gaengigen Gefaehrdungs-Hypothesen. (Einige Hypothesen zu positiven psycho- sozialen Konsequenzen von Internet-Nutzung - insbesondere zur Praevention und Bewaeltigung von Einsamkeitsgefuehlen - habe ich an anderer Stelle dargelegt: Doering 1994). In allerjuengster Zeit wird die These menschlicher Verarmung und Vereinsamung durch den Computer kritischer gesehen und mit empi- rischen Befunden konfrontiert. Einige Ergebnisse der empirischen Computer-Wirkungsforschung werden im folgenden berichtet. 1.2. Empirische Untersuchungen Die in der theoretischen Diskussion behandelten Vorstellungen ueber dramatische Veraenderungen im Gefolge von Mediennutzung sind aus empirischer Sicht zu relativieren (2.2.1). Zudem sind neben Negativ- folgen auch positive Konsequenzen in Rechnung zu stellen (2.2.2). Schliesslich sind angesichts ausdifferenzierter Nutzungsmuster globale Aussagen ueber einzelne Medien fragwuerdig (2.2.3). 1.2.1. Geringe Medieneffekte Ein globaler Befund der gesamten Medienwirkungs- und Computer- nutzungsforschung ist sicherlich der, dass Medieneffekte in der oeffent- lichen Meinung notorisch ueberschaetzt werden. D.h. im Volksmund werden "Computerfreaks" besondere Merkmale oder extreme Merkmals- auspraegungen zugeschrieben, waehrend sich Computernutzer insgesamt wenig von Nicht-Nutzern unterscheiden. So dramatisch man sich Ver- kabelungs-Folgen ausmalte, in 225 empirisch untersuchten Btx-Haus- halten aenderte sich das Freizeitverhalten so gut wie gar nicht (Mathei- sen/Voltenauer-Lagemann 1983). Auch die vermeintlich computer- suechtigen Bildschirmspieler unterschieden sich von den Nicht-Spielern nur wenig (Spanhel 1990; Swoboda 1986). Gefundene Charakteristika von Bildschirmspielern (sie verbringen mehr Zeit ausser Haus, Treffen sich oefter mit Freunden, gehen oefter in Kneipen, treiben mehr Sport als Nicht-Spieler) widersprechen dem Klischee des isolierten, "narziss- tischen" Computersuechtigen (vgl. Duessler 1989) und scheinen zudem keine Folgen des Bildschirmspiels zu sein. Auch die alte Befuerchtung, Telefonieren wuerde gegenseitige Besuche ersetzen, ist empirisch fraglich: gesellige Menschen, die oefter ausgehen und sich mit Freunden treffen, telefonieren auch mehr als ungeselligere Menschen (Noble 1990: 182). 1.2.2 Positive Medieneffekte Empirische Befunde relativieren nicht nur das Ausmass sondern auch die Richtung von Medienkonsequenzen. Die Medienwirkungsforschung behandelt seit Neuestem nicht mehr ausschliesslich pathogene Folgen der Techniknutzung, sondern weist immer wieder explizit auf positive Kon- sequenzen hin. So werden mittlerweile sogar dem allseits verpoenten Fernsehen positive Effekte zugebilligt (z.B. Gunter/McAleer 1990). Dass erfolgreiche Programmierer und Software-Entwickler keine menschen- scheuen maschinellen Charaktere sind, sondern ueber Teamgeist und Kreativitaet verfuegen muessen, ermittelte das u.a. an der Universitaet Giessen angesiedelte "Interdisziplinaere Projekt zur Arbeitssituation in der Software-Entwicklung" (IPAS) in Befragungsstudien (zitiert in Kokoschinski 1994). Die gute Akzeptanz von Krisentelefonen, Telefonseelsorge, Kindernotruf etc. machen auf die Vorteile der Telefonkommunikation (Anonymitaet, leichte Zugaenglichkeit, geringere Barrieren) aufmerksam (s. Forschungsgruppe Telefonkommunikation 1990). 1.2.3 Medien, Mediennutzer und Nutzungsmuster Statt einer pauschalen Verdammung des Mediums (z.B. des Computers), ruecken die individuellen Nutzungsprofile in den Mittelpunkt. Sollen Aussagen ueber Computerwirkungen getroffen werden, ist genau zu spezifizieren, welche Anwendungen wie und von wem eingesetzt werden. Auch bei der Untersuchung von Folgen der Netz-Nutzung sind vielfaeltige Differenzierungen moeglich: Welches Netz wird genutzt? Ist die Netznutzung ueberwiegend beruflich oder privat motiviert? Wie haeufig und wie lange wird das Netz genutzt? Welche Netz-Dienste werden in Anspruch genommen? Wie stark ist das technische Interesse an Netz-Belangen ausgepraegt? Erfolgt eine eher produktive (z.B. haeufiges Verfassen von Postings) oder eher rezeptive (v.a. Lesen von News) Mediennutzung etc.. Einen Vorschlag zur Klassifikation von Netznutzern legten Wetzstein et al. (1994) vor. Sie unterscheiden vier (Ideal)Typen von Netznutzern: Laien, Insider, Freaks und Pragmatiker. Der Pragmatiker sieht das Netz in erster Linie als Werkzeug und Wissensboerse, soziale Aspekte spielen eine untergeordnete Rolle. Demgegenueber betrachtet der Freak das Netz auch als virtuelle Welt, Podiumsdiskussion, Zeitung und Kontaktforum. Laien sind weniger aktiv, kompetent und fasziniert von der Netzwelt als Insider, koennen aber zu solchen werden, ebenso wie Insider eine Karriere zum Freak beschreiten koennen. 1.2.4 Drei ausgewaehlte Untersuchungen Exemplarisch werden im folgenden drei neuere Untersuchungen zu psychologischen Auswirkungen bzw. Korrelaten der Computer- und Netz-Nutzung skizziert. a) Soziale Kontakte und Mediennutzung (Thomas Barth, Universitaet Hamburg 1993) Einen Ueberblick ueber psychologische Ansaetze der Computer-Wir- kungsforschung findet man bei Thomas Barth (1991), der beginnend mit den klassischen Arbeiten von Weizenbaum (1976) und Turkle (1984), anschliessend elf neuere empirische Forschungsbeitraege aus dem deut- schen Raum referiert und kritisch wuerdigt. Keine dieser Arbeiten befasst sich explizit mit Netznutzern. In einer eigenen Untersuchung befragte Barth (1993) 4 weibliche und 38 maennliche "Computerfreaks". Der "Computerfreak" wurde definiert durch a) eigenen Computerbesitz, b) Programmierfaehigkeit, c) mindestens drei Jahre Computererfahrung und d) das Bekenntnis zur Faszination im Umgang mit dem Rechner (nur 8 Personen hatten eine DFUe-Ausruestung und DFUe-Bekannte). 36 Personen mit wenig Computererfahrung bildeten die Kontrollgruppe. Barth (1993) stellte in seinem Fragebogen unter anderem einige Fragen zu sozialen Kontakten. Dabei stellte sich heraus, dass ein introvertierter, kontaktscheuer Lebensstil von Computernutzern nicht bestaetigt werden konnte. Der einzige signifikante Unterschied zwischen Computerfreaks und Kontrollgruppe bezog sich auf die Telefonierfreudigkeit: Waehrend die Kontrollgruppe durchschnittlich 7 Bekanntschaften durch Telefonkon- takte pflegte, waren es in der Untersuchungsgruppe nur 3. Eine moegliche Erklaerung koennte darin liegen, dass Computerfreaks Einsamkeit durch Computertaetigkeit gar nicht erst fuehlen oder aber im Laufe der konzentrierten Taetigkeit vergessen, waehrend Computer- unerfahrenen bei Einsamkeit diese Ablenkungsmoeglichkeit fehlt und sie deswegen eher zum Telefon greifen (vgl. Barth 1993: 116). b) Kultur und elektronische Kommunikation (asw, Universitaet Trier 1994) Eine sehr umfassende Analyse von Netznutzern legte die Arbeitsge- meinschaft sozialwissenschaftliche Forschung und Weiterbildung (asw) an der Universitaet Trier vor. Die Arbeitsgruppe verteilte u.a. im No- vember 1992 einen Fragebogen in oeffentlich zugaenglichen deutschen Netzen sowie in 50 ausgewaehlten Mailboxen und erhielt einen Ruecklauf von N=464 Frageboegen (Wetzstein et al. 1994). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Fernsehkonsum von Netznutzern zurueckgeht, was als Hinweis darauf gewertet werden kann, dass Netz- Nutzung nicht unbedingt auf Kosten von Geselligkeit gehen muss, sondern aus anderen Freizeitbereichen Zeit abgezogen wird. Weiterhin belegte die Studie, dass durch die Integration in die Netz- Szene neue Kontakte entstehen. 62% der Respondenten gaben an, ihre Netzbekanntschaften nicht nur per DFUe zu treffen. 66% erklaerten, ihr Bekanntenkreis habe sich durch die Netzaktivitaeten vergroessert. Nur 9% der befragten DFUeler assoziierten mit ihrer Computertaetigkeit den Begriff "Vereinsamung" und nur 8% das Begriffspaar "Macht/Herr- schaft". Das Bild des vereinsamten oder kontrollbeduerftigen Compu- terfreaks ist also kein Selbstbild von Netznutzern. Sie verbanden mit ihrer Netztaetigkeit stattdessen in erster Linie "Praezision" (67%) und "Kreativitaet" (66%). "Sucht" wurde von 27% genannt, wobei sich die Freaks selbst mit 34% deutlich suchtgefaehrdeter einschaetzten als die Laien (23%) oder die Pragmatiker (8%). c) Computernetze und Kommunikation (Volker Kneer, Universitaet Hohenheim 1994) Volker Kneer (1994) postete im November 1993 einen Fragebogen zur Netznutzung in 24 Newsgroups und erhielt N=518 Antworten. Unter anderem untersuchte er die Frage, ob computervermittelte Kommuni- kation ausser virtuellen Kontakten auch zu persoenlichen Treffen mit anderen Nutzern fuehrt. 63% der Befragten berichteten, dass sie durch ihre Netzaktivitaet feste Kommunikationspartner gefunden hatten, 57% sagten, dass sie Netz-Bekanntschaften auch schon persoenlich getroffen hatten. Dabei stellte sich heraus, dass haeufig persoenliche Kontakte zu mehreren Kommunikationspartnern zustande gekommen waren: "Wieviele Kommunikationspartner haben Sie bisher getroffen?" Kommunikationspartner n % ............................................ weniger als 5 87 30 5-10 91 30 mehr als 10 120 40 ............................................ 298 100 Unter den Kommunikationspartnern befanden sich erstaunlich viele internationale Kontakte: "Aus welchen Laendern stammen diese Kommunikationspartner?" Herkunftslaender n % ................................................ nur Deutschland 163 54 Deutschland und andere Laender 126 42 nur andere Laender 11 4 ................................................ 300 100 Diese Befunde widersprechen den aus der Substitutionshypothese (Netz- Kontakte ersetzen persoenliche Kontakte) abgeleiteten Isolationsbe- fuerchtungen und stuetzen eher eine Ergaenzungshypothese (Netz- Kontakte ergaenzen und erweitern den persoenlichen Bekanntenkreis, der sich ueber nationale Grenzen hinaus ausdehnt). 2. Einsamkeit und Isolation bei Netznutzern: Die Untersuchung Netznutzung gilt - wie oben dargestellt - unter Computerkritikern und in der breiten Oeffentlichkeit nach wie vor als Gefahr fuer zwischenmensch- liche Bindungen. Die theoretische Begruendung dieser Gefahr beruht jedoch auf Vorannahmen (z.B. Substitutionshypothese), die empirisch fragwuerdig erscheinen, wie sich in neueren empirischen Untersuchungen abzeichnet (s.o.). Isolations- und Vereinsamungsthesen halten sich dennoch hartnaeckig und bekommen im Zuge der gesamtgesellschaft- lichen Einsamkeitsdebatte, die eine wachsende zwischenmenschliche Entfremdung und Kaelte in Deutschland behauptet, immer wieder Auf- wind. Die populaere These wachsender Vereinsamung in Deutschland ist in grossen Teilen der Bevoelkerung, unter Politikern, Journalisten und Sozialwissenschaftlern fast zur stehenden Redewendung geworden, obwohl saemtliche bislang vorliegenden empirischen Daten (unter anderem von EMNID, Institut fuer Demoskopie Allensbach, Wissen- schaftszentrum Berlin) in den letzten 40 Jahren einen ruecklaeufigen Trend in der Einsamkeitsentwicklung in Deutschland zeigen (vgl. zusammenfassend Doering/Bortz 1993a). Ziel der vorliegenden Untersuchung war es deswegen, hypothesen- geleitet weitere Informationen ueber soziale Isolation bzw. Integration von Netznutzern zu sammeln. Zudem wurden direkte Einsamkeitsdaten erhoben. Um Wiederholungen zu vermeiden und die Rezeption zu er- leichtern, werden die Ergebnisse der Hypothesenpruefung jeweils direkt im Anschluss an die Darstellung der einzelnen Hypothesen berichtet. Diesem kombinierten Hypothesen- und Ergebnisteil (2.4) sind der Bericht ueber die Untersuchungsdurchfuehrung (2.1), die Stichproben- beschreibung (2.2) und die Fragebogenanalyse (2.3) vorangestellt. 2.1 Untersuchungsdurchfuehrung 2.1.1 Umfragematerial Um die Bearbeitungszeit fuer die Respondenten moeglichst gering zu halten, wurde nur ein aeusserst knapper Fragebogen eingesetzt. Der Fragebogen (s. Tab. 9) verwendete die Anrede "Sie" und hob sich damit von der ueblichen Netz-Kommunikation ab. Obwohl gegenseitiges Duzen im Netz zum "guten Ton" gehoert, wurde die Sie-Anrede kommentarlos akzeptiert und scheint gut geeignet, den foermlichen Charakter von wissenschaftlichen Umfragen zu unterstreichen. Auch Kneer (1994) verwendete die Sie-Anrede. Der verwendete Fragebogen setzte sich aus fuenf Teilen zusammen: a) Sozialstatistik Abgefragt wurden: Geschlecht, Alter, Familienstand, Schulbildung, Taetigkeit und Einkommen. b) Netznutzung Erfasst wurden: die Newsgroup, aus der geantwortet wurde, Zeitraum der Netznutzung in Monaten, monatliche Kosten der Netznutzung, Anstoss zur Netznutzung ("Was gab Ihnen den Anstoss zur Auseinan- dersetzung mit dem Internet?"), Outcome der Netznutzung ("Was haben Sie im Netz gefunden? a) Ehepartner b) Freunde/Bekannte, c) Fach- kollegen, d) Wohnung, e) Arbeitsstelle f) anderes:____________"), Haeufigkeit und Dauer der Nutzung einzelner Netz-Dienste (Email, News, Ftp/Gopher etc. MUD, IRC, anderes), zukuenftiger Zeitaufwand fuer Netznutzung ("Ich werde in Zukunft mehr Zeit / weniger Zeit / ge- nauso viel Zeit im Netz verbringen). MUD (Multi User Dungeon, MUDs sind interaktive Spielumgebungen) und IRC (Inter Relay Chat, IRC bietet die Moeglichkeit zum Online Talk auf zahlreichen inhaltlich gegliederten Kanaelen) gehoeren zu den eher unbekannteren Netz-Diensten, werden jedoch haeufig als besonders suchtgefaehrdend und einsamkeitskritisch eingestuft. Email, News, IRC und MUD haben in erster Linie kommunikative Funktionen, waehrend dies auf andere Netzdienste wie etwa Dateitransfer mit ftp oder Informationssuche mit gopher oder WWW-Browsern nur eingeschraenkt zutrifft. Die gesamte Bandbreite der Netzdienste wurde nicht differenziert abgefragt, da keine a priori Hypothesen hinsichtlich ihrer Beziehung zur Einsamkeit aufgestellt werden konnten. Die in der vorliegenden Unter- suchung vorgenommene Analyse der Zusammenhaenge zwischen der Nutzung kommunikativ orientierter Netzdienste einerseits und Ein- samkeit und Isolation andererseits ist nur ein kleiner Ausschnitt moeg- licher Wirkungszusammenhaenge zwischen Nutzerpersoenlichkeit, Nutzungsmuster und psychosozialen Konsequenzen. c) Soziale Integration Erfragt wurden Anzahl der "guten Freunde" ("die mir z.B. bei Problemen helfen wuerden"), Anzahl der "Bekannten" ("die ich z.B. zu einer Party einladen wuerde"), Anzahl "wichtiger Personen in meinem Leben, mit denen ich a) nie uebers Netz kommuniziere, b) nur uebers Netz kom- muniziere und c) sowohl mit als auch ohne Netz kommuniziere." Eine differenzierte Diagnose individueller sozialer Netzwerke war im Rahmen der hier realisierten kurzen schriftlichen Befragung nicht moeg- lich. Die Operationalisierung der sozialen Integration bzw. Isolation orientierte sich deswegen an einsamkeitsrelevanten Beziehungsmerk- malen, d.h. bei "Freunden" wurde der Aspekt der emotionalen Unter- stuetzung und Intimitaet betont, bei "Bekannten" dagegen Geselligkeit und unterhaltsames Zusammensein. Nach Weiss (1973) sind emotionale Isolation (das Fehlen von Vertrauenspersonen) und soziale Isolation (das Fehlen lockerer, geselliger Kontakte) zentrale Einsamkeitsausloeser, De- fizite in einem Bereich koennen durch den anderen Bereich nur bedingt kompensiert werden. Die Erfassung subjektiv "wichtiger" Personen ist einsamkeitspsy- chologisch sinnvoller als die Vorgabe objektiver Definitionskriterien (z.B. private, nachbarschaftliche, geschaeftliche Beziehungen o.ae.), da sich Menschen darin unterscheiden, welche Art von Kontakten sie sub- jektiv bedeutsam finden. So mag sich beispielsweise jemand, der auf gute Nachbarschaftskontakte viel Wert legt, ausgeschlossen und einsam fueh- len, wenn die Nachbarn nicht gruessen, waehrend jemand anders vielleicht froh ist, unbehelligt vom Interesse der Nachbarn zu leben. Die Anzahl von Nachbarschaftskontakten waere in diesem Fall also ein schlechter Einsamkeitspraediktor. In erster Naeherung sollte deswegen die Anzahl subjektiv bedeutsamer Beziehung am besten geeignet sein, subjektive Einsamkeitsgefuehle vorherzusagen. Auch psychometrische Einsamkeitsfrageboegen (zum Ueberblick s. Russell 1982) arbeiten nur zurueckhaltend mit objektiv vorgegebenen Beziehungsmerkmalen und ueberlassen es lieber den Respondenten, die jeweils subjektiv relevanten Beziehungspartner einzusetzen. d) Einsamkeit Die Auspraegung subjektiver Einsamkeit wurde mithilfe der international am haeufigsten verwendeten Einsamkeitsskala, der University of Califor- nia Los Angeles Loneliness Scale, gemessen. Der Fragebogen stammt von Russell und Mitarbeitern (1978, 1980) und liegt in deutscher Ueber- setzung vor (vgl. Doering/Bortz 1993b). Die 20 Items der Skala sind auf einer fuenfstufigen Ratingskala (stimmt gar nicht / wenig / teils-teils / ziemlich / voellig) zu beantworten, wobei 10 Items positiv und 10 Items negativ formuliert sind. Die Items umschreiben einsamkeitstypische Gedanken und Gefuehle, ohne den Begriff "einsam" zu nennen (die Items sind in Tab. 5 zu finden). Pro Item werden 1 bis 5 Punkte vergeben, wobei die nicht in Richtung Einsamkeit formulierten Items umzupolen sind. Der Gesamtwert ergibt sich als Summe aller Itemwerte dividiert durch die Anzahl der eingeh- enden Werte. Der Gesamtskore hat somit einen Wertebereich von 1 (mi- nimale Einsamkeit) bis 5 (maximale Einsamkeit). Zur Interpretation der Werte koennen die Ergebnisse bislang vorliegender Studien mit der UCLA Loneliness Scale herangezogen werden, die zeigen, dass Werte zwischen 1,8 und 2,0 "normal" sind, d.h. die Gesamtbevoelkerung charakterisieren. Niedrigere Werte sprechen fuer eine besonders glueck- liche Lebenslage. Werte um 3,0 indizieren ausgepraegte Einsamkeits- gefuehle und sind z.B. typisch fuer Personen, die sich fuer Einsamkeits- therapien anmelden. Werte um 4,0 deuten auf sehr extreme, oftmals chronische, Einsamkeit hin. Werte um 5,0 kommen so gut wie gar nicht vor. e) Selbstwertgefuehl und Identitaet Auf einer fuenfstufigen Ratingskala waren abschliessend je ein Item zur Identitaet ("Ich wuerde gerne jemand anderes sein.") und zum Selbst- wertgefuehl ("Ich bin sicher und selbstbewusst") zu beantworten. 2.1.2 Untersuchungsablauf Auf den 2. Kieler Netztagen vom 25.8.1994 bis 28.8.1994 an der Uni- versitaet Kiel wurden die Frageboegen unter den Besuchern verteilt und von diesen in den Pausen ausgefuellt (beobachtete Bearbeitungszeit ca. 10 Minuten). Die anonym beantworteten Boegen konnten in eine an der Kasse aufgestellte Kiste gesteckt werden. Die Kieler Netztage wurden von ca. 150 Personen besucht, 100 Frageboegen wurden ausgeteilt und N=47 ausgefuellte Boegen zurueckgegeben. Vier Boegen blieben unberuecksichtigt, da die Respondenten keine Netznutzer waren, so dass N=43 Boegen fuer weitere Analysen zur Verfuegung standen. Am 29.8.1994 wurde eine elektronische Form des selben Fragebogens (s. Tab. 9) in 15 Newsgroups gepostet. Insgesamt kamen 307 aus- gefuellte Frageboegen ueber das Netz zurueck. Der erste ausgefuellte Fragebogen wurde bereits am 29. August 1994 zurueckgeschickt, der letzte kam zwei Monate spaeter, am 28. Oktober 1994, an. Der Verlauf der Eingaenge ist Tab. 1 im Anhang zu entnehmen. Die meisten Boegen wurden von Lesern der Gruppen (n=49, 16%) und (n=38, 12%) beantwortet. Insgesamt umfasste die Stichprobe also N=350 Netz-Nutzer, von denen 12% bei den Kieler Netztagen und 88% ueber das Netz rekrutiert wurden. Die Verteilung der Respondenten auf die einzelnen Newsgroups ist Tab. 2 im Anhang zu entnehmen. Die Antwort-Rate wird zudem deskriptiv mit dem Artikelaufkommen der entsprechenden Newsgroups (Tab. 3) in Beziehung gesetzt (Tab. 4). 2.1.3 Datenmanagement Die elektronisch beantworteten Frageboegen gingen - mit ganz wenigen Ausnahmen - in nicht-anonymisierter Form, d.h. mit voller Angabe von Name und Netzadresse ein. Um die Anonymitaet sicherzustellen, wurden die Frageboegen vom Header getrennt, fortlaufend durchnumeriert und in drei Dateien (je ca. 100 Faelle) gespeichert. [An dieser Stelle sei noch einmal darauf verwiesen, dass es prinzipiell moeglich gewesen waere, die eingegangenen Frageboegen personenbezogen - also nicht anonym - auszuwerten. Die Zusicherung von Anonymitaet bezieht sich in dieser - wie in vielen anderen Untersuchungen - allein auf die Art der Weiterbehandlung der Daten (Aggregierung zu Gruppenmittelwerten). Das Misstrauen mancher Probanden gegenber Umfragen mit grundlagenwissenschaftlicher Zielsetzung beruht auf einer Verwechslung der Intentionen von hypothesenpruefender Forschung, die mit personenbezogenen Informationen meist gar nichts anfangen kann, mit Individualdiagnostik, die gerade auf die Bewertung von personenbezogenen Ergebnissen zielt und etwa etwa bei der Personalauslese oder im Therapiebereich durchgefuehrt wird. Es waere wuenschenswert, diese Unterscheidung in der (Netz)Oeffentlichkeit noch staerker zu verdeutlichen.] Anschliessend wurden die Fragebogendaten mit der zugehoerigen Per- sonen-Nummer in kodierter Form in eine Datendatei uebertragen. Dann wurde eine Fehlerkontrolle in der Weise durchgefuehrt, dass alle extremen Werte und stichprobenartig auch "normale" Werte in der Rohdatendatei mit den Eintraegen in den Originalfrageboegen verglichen und ggf. korrigiert wurden (die Zuordnung war durch die Personennummer moeglich). Die statistische Auswertung erfolgte mit SPSS fuer Windows in der Version 6.0; verwendet wurden Verfahren der deskriptiven und analytischen Statistik. Wie in der Instruktion des Fragebogens angekuendigt ("Ergaenzungen, Hinweise, Kritik sind immer willkommen und werden auch doku- mentiert"), wurden die Kommentare, die einige Netznutzer abgegeben hatten, in die Auswertung einbezogen und anonym zitiert. 2.2. Stichprobenbeschreibung Umfragen unter Netznutzern fuehren prinzipiell zu nicht- probabilistischen Ad-hoc-Stichproben, da weder die Grundgesamtheit der Netznutzer genau zu spezifizieren ist, noch die Antwortwahrscheinlichkeiten bekannt und kontrollierbar sind. Saemtliche bislang durchgefuehrten Netzumfragen (z.B. Kneer, 1994; Wetzstein et al., 1994) haben deswegen explorativen Charakter, so auch diese Untersuchung. Der Nutzen von Netzumfragen ist darin zu sehen, dass mit vertretbarem Aufwand empirische Informationen gewonnen werden, die - solange "repraesentative" Daten fehlen - reinen Spekulationen in jedem Fall vorzuziehen sind. Aber was heisst ueberhaupt "Respraesentativitaet"? In der Oeffentlichkeit gilt die "Respraesentativitaet" einer Untersuchung in der Regel als primaeres Qualitaetsmerkmal, entsprechend rigoros ist die Ablehnung von Studien, denen es vermeintlich an "Repraesentativitaet" fehlt. Kommerzielle Markt- und Meinungsforschungsinstitute verwenden den Begriff "Repraesentativumfrage" als werbewirksames Ettikett, das von den Massenmedien gerne aufgegriffen wird ("Wie repraesentative Studien zeigen..."). Interessanterweise ist "Repraesentativitaet" ueber- haupt kein statistisches Konzept, sondern ein umgangssprachlicher Begriff, der an dem intuitiven Verstaendnis ansetzt, dass "repraesen- tative" Studien aussagekraeftig und gueltig sind. Aus methodischer Sicht ist "Repraesentativitaet" (im Sinne einer Uebereinstimmung der Zusam- mensetzung von Stichprobe und Referenzpopulation) angemessener als Zielvorgabe aufzufassen (der man sich je nach Untersuchungsmethode und Untersuchungsbedingungen mehr oder weniger stark annaehern kann), denn als Attribut einer konkreten Untersuchung. Von "Repraesentativitaet" zu sprechen, ohne die Referenzpopulation zu nennen, ist schlicht unsinnig (in der oeffentlichen Diskussion ist es jedoch gaengige Praxis!). Vermutlich sind nicht wenige der als "Repraesentativ- studien" firmierenden Untersuchungen vom Ziel der Repraesentativitaet recht weit entfernt (problematischer Einsatz von Quoten-Stichproben etc.), ohne dass dies transparent gemacht wird. Die Kritik einiger Res- pondenten, die hier durchgefuehrte Netzumfrage sei "nicht repraesen- tativ", weil nur freiwillig antwortende Netznutzer erfasst werden, ist ein Beispiel fuer unreflektierte Repraesentativitaetsforderungen, trifft sie doch ausnahmslos jede empirische Untersuchung. Empirische Studien adressieren immer nur Referenzpopulationen von "Freiwilligen", zumindest wenn man nicht zur Teilnahme zwingt, was ethisch im allgemeinen abgelehnt wird. (Nur im Rahmen der amtlichen Statistik gibt es Teilnahmepflicht, aber selbst diese schuetzt nicht von Antwortver- weigerungen und Ausfaellen). Als beste Annaeherung an "Repraesentativitaet" gilt, sofern verlaessliche Angaben ueber die Zusammensetzung der Zielpopulation fehlen, die echte Zufallsauswahl. Ob es jemals Untersuchungen mit echten Zufallsauswahlen aus einer vollstaendigen Liste aller Netznutzer der Bundesrepublik geben wird, scheint fraglich, da die Erstellung einer vollstaendigen Populationsliste (etwa aller Netznutzer in Deutschland) nicht nur extrem aufwendig, sondern auch aus Datenschutzgruenden problematisch ist. (Realisierbar waere jedoch eine Klumpenstichprobe aus der Population studentischer Netznutzer, d.h. eine Zufallsziehung von mehreren Universitaeten mit anschliessender Vollerhebung, d.h. Befragungsbogen per Email an alle Account-Besitzer). Die obigen Erlaeuterungen sollten das Bewusstsein dafuer schaerfen, dass es fuer die Bewertung einer Studie und ihrer Aussagekraft wichtiger ist, die konkreten, realisierten Untersuchungsstrategien in Verbindung mit den erzielten Befunden und den daraus abgeleiteten Aussagen, kritisch zu diskutieren, als pauschal von "Repraesentativitaet" oder "fehlender Repraesentativitaet" zu sprechen. Im folgenden werden einige Bemerkungen zum Informationsgehalt der realisierten Stichprobe gemacht: Untersuchungen, die Probanden ueber die News anwerben, werden die Nutzung von News tendenziell ueberschaetzen, da intensivere News- Rezipienten/-Produzenten eine hoehere Antwortwahrscheinlichkeit haben. Zudem sind Newsgroup-spezifische Vorselektionen potentieller Probanden in Rechnung zu stellen. Obwohl jede empirische Studie nur freiwillige Teilnehmer untersucht, ist der "Freiwilligkeits-Bias" im Kontext der konkreten Untersuchungsfrage zu beleuchten: inwieweit mag die Motivation zur freiwilligen Teilnahme mit den zu erfassenden Variablen kovariieren? Speziell fuer Einsamkeit laesst sich hier keine eindeutige Prognose stellen: Fuer eine erhoehte Antwortmotivation bei Einsamen spricht ihr Kontaktwunsch, sie koennten die Teilnahme als Kontaktmoeglichkeit, als Ablenkung oder als Chance, Rueckmeldung zu erhalten, auffassen. Fuer eine besonders geringe Teilnahmebereitschaft spricht jedoch, dass Einsame oft besonders zurueckhaltend, misstrauisch und sozial aengstlich sind, oder nicht an ihr Problem erinnert werden wollen. Da es offensichtlich fuer Personen mit Einsamkeitsgefuehlen so- wohl Gruende fuer als auch Guende gegen eine Teilnahme gibt, kann man vermuten, dass es nicht zu einseitiger Ueber- oder Unter- repraesentanz von Einsamen in der Stichprobe kommt. Bei Auswahlen durch Selbstselektion kann die Referenzpopulation nur im Rueckschluss rekonstruiert werden, etwa als Gruppe der besonders stark an News interessierten Netznutzer mit besonderer Aufgeschlos- senheit gegenueber wissenschaftlichen bzw. psychologischen Untersu- chungen. Inwieweit diese Teilpopulation von der Gesamtheit der Netz- nutzer abweicht oder ihnen weitgehend aehnelt, ist bislang nur argu- mentativ zu klaeren, da eben aufwendigere empirische Studien mit echten Zufallsauswahlen bislang fehlen. Leserinnen und Leser moegen selbst entscheiden, inwieweit sie die Merkmale der Respondentengruppe generalisieren wollen. Die Zusammensetzung der vorliegenden Stichprobe wird mit den Ergeb- nissen der Studie aus Trier (Wetzstein et al. 1994) und der Studie von Kneer (1994) verglichen (vgl. Abschnitt 2.2.3). Bei derartigen Verglei- chen von Netz-Umfragen ist zu beachten, dass es sich nicht um voll- staendig unabhaengige Stichproben handelt. Sobald Frageboegen in den oeffentlichen Netzen zirkulieren, ist davon auszugehen, dass sich teil- weise dieselben Personen an mehreren Umfragen beteiligen. Weiterhin ist untersuchungstechnisch auf Dauer mit Motivationsrueckgaengen zu rechnen, da Netznutzer vermutlich nicht staendig die Rolle von Unter- suchungsteilnehmern ("Versuchskaninchen") einnehmen moechten. Um die Motivation zu erhalten, scheint es besonders wichtig, die Seriositaet von Umfragen zu betonen und Ergebnisrueckmeldungen zu geben, damit Umfragen nicht als sinnlose Spielerei verstanden werden. Aufeinander- folgende Netzumfragen koennen Hinweise darauf geben, inwieweit die Verhaeltnisse in der Gruppe der erreichbaren Netznutzer konstant bleiben oder sich veraendern (z.B. hinsichtlich des Frauenanteils). 2.2.1. Respondenten und Kommentatoren Die 350 Antworten bestanden in der Mehrzahl (95%) aus ausgefuellten Frageboegen, die zum Teil (35%) durch Kommentare ergaenzt wurden. 18 maennliche Respondenten (5%) schickten nur einen Kommentar und verzichteten auf ein Ausfuellen des Fragebogens. Insgesamt sind also N=332 gueltige Faelle in der untersuchten Gruppe. Die im folgenden berichteten Prozentwerte beziehen sich auf die Basis von N=332. Von den 332 Respondenten, die den Fragebogen ausgefuellt hatten, for- mulierten 10% kritische Anmerkungen, die sich auf Organisatorisches zur Umfrage, Formulierung der Fragenbogenitems sowie Inhalte und Hintergruende der Untersuchung bezogen. 27% der Respondenten aeusserten explizites Interesse an den Untersuchungsergebnissen und versahen ihren Fragebogen mit guten Wuenschen fuer die Auswertung und freundlichen Gruessen. 63% der Befragten schickten den ausgefuellten Fragebogen kommentarlos zurueck. 2.2.2. Geschlecht Von den 332 ausgefuellten Boegen stammten 15 von Frauen und 317 von Maennern. Der Prozentsatz der Respondentinnen ist mit 4,5% nahezu identisch mit den Befunden von Wetzstein et al. (1994, S. 368) und Kneer (1994), die 3,7% und 4.4% gefunden hatten. 2.2.3. Alter Das Durschschnittsalter der Befragten lag bei 27 Jahren (SD=5.0; Me- dian=26, Modus=25). 70% der Respondenten waren zwischen 20 und 30 Jahre alt. Wetzstein et al. (1994) und Kneer (1994) ermittelten vergleich- bare Altersdurchschnitte von 26,5 und 27,2 Jahren. Altersgruppen n % ............................................ bis 20 Jahre 21 6 21-24 Jahre 74 22 25-28 Jahre 127 38 29-32 Jahre 71 22 ueber 32 Jahre 39 12 ............................................ 332 100 2.2.4. Familienstand Die Variable Familienstand in den Auspraegungen ledig, verheiratet, geschieden und verwitwet sagt im Zuge der Verbreitung alternativer Lebensformen (nicht-eheliche Lebensgemeinschaften, gleichgeschlecht- liche Lebensgemeinschaften, Stieffamilien etc.) immer weniger ueber die tatsaechliche Lebenssituation aus (Ledige koennen als Paare leben, Ver- heiratete in Trennung etc.). Die Lebenssituation wurde deswegen nach dem einsamkeitsrelevanten Merkmal Partnerschaft differenziert. 144 Personen (43%) hatten eine feste Partnerschaft (nicht-ehelich oder ehelich), 59 (18%) unterhielten lockere Beziehungen, 129 (39%) waren alleinstehend. In der Stichprobe von Kneer (1994) waren 82% Ledige, 17% Verheiratete und 1% Geschiedene. 2.2.5. Bildungsstand Der Bildungsstand der Befragten war erwartungsgemaess hoch, was damit zu erklaeren ist, dass der Anstoss zur Netznutzung haeufig im Studium gegeben wird (nicht zuletzt durch den kostenlosen Uni- versitaets-Account s.u.) und zum anderen einer effektiven Netznutzung ein nicht unbetraechtlicher Lernaufwand vorausgeht. Netzkompetenz wird haeufig autodidaktisch erworben (vgl. Wetzstein et al. 1994), so dass lerngewoehnte Personen (Schueler, Auszubildende, Studierende) die Zugangsbarrieren eher bewaeltigen. Schliesslich ist Netzzugang auch mit finanziellen Ausgaben verbunden, die aber im Vergleich zu Kompetenzdefiziten sicherlich eine geringere Huerde darstellen (Ausnahme: z.B. Schueler mit geringem Taschengeldbuget etc.). Bildungsabschluss n % ............................................ kein Abschluss 2 0 Haupt/Realschulabschluss 36 11 Abitur 185 56 Diplom/Magister 109 33 ............................................ 332 100 2.2.6. Taetigkeit Da Universitaeten ihren Mitarbeitern und Studierenden in der Regel einen kostenlosen Netz-Zugang gewaehren, ist international der Anteil von Universitaetsangehoerigen unter den Netznutzern recht hoch, was sich auch in der vorliegenden Stichprobe widerspiegelt: 49% der Befragten waren Studenten, 44% Berufstaetige und 7% Auszubildende oder Schueler. In der befragten Gruppe von Wetzstein et al. (1994, S. 373) waren 43% Studenten und 37% Berufstaetige. Fuer Personen, die durch Studium oder Beruf mit EDV, Informatik, Technik zu tun haben, ist Netznutzung haeufig eine Selbstver- staendlichkeit wenn nicht gar eine Notwendigkeit. Ihr Anteil unter den Netznutzern ist deswegen besonders hoch. Bei Wetzstein et al. (1994) waren 54% der befragten Netznutzer im Informatik-Bereich taetig, in der vorliegenden Untersuchung waren es 57%: Gesamt Ausbildung Studium Beruf Fachrichtung n % n n n ........................................................... Informatik 188 57 6 102 80 Technik/Ingenieurwesen 58 17 3 25 30 Naturwissenschaften 27 8 - 11 16 Anderes 59 18 14 25 20 ........................................................... 332 100 23 163 146 2.2.7. Einkommen Gut zwei Drittel (62%) der befragten Netznutzer hatten ein monatliches Netto-Einkommen unter 2000 DM, was angesichts des hohen Anteils an Studierenden in der Stichprobe kaum verwundert. Bei Wetzstein et al. (1994, S. 369) lag dieser Anteil bei 64%. Die Einkommensverteilung sieht folgendermassen aus: Einkommensgruppen n % ............................................ unter 1000 DM 125 38 1000-2000 DM 80 24 2000-3000 DM 47 14 3000-4000 DM 42 13 ueber 4000 DM 36 11 keine Angabe 2 0 ............................................ 332 100 2.2.8. Zeitraum der Netznutzung In dem Masse, wie sich Netze popularisieren (Verbreitung von entspre- chenden Kenntnissen, preisguenstiger und relativ anwenderfreundlicher Netz-Zugang etc.), aendert sich die Struktur der Netznutzer. Aus einer relativ homogenen Gruppe von spezialisierten Insidern und Experten entwickelt sich eine zunehmend heterogene Gruppe von "Normal- Nutzern" und Anwendern mit geringerem technischen Interesse und Kenntnisstand. Die zahlreichen Fehler und Pannen, die Neulingen (sog. Newbies) im Netz unterlaufen, sorgen immer wieder fuer Veraergerung und bringen ihnen nicht selten auch den Ruf von "Dumm-Usern" ein. Gut 30% der befragten Netznutzer waren seit weniger als einem Jahr auf dem Netz und koennen als Neulinge bezeichnet werden. 50% blicken auf eine Netzerfahrung zwischen ein und vier Jahren zurueck. Immerhin zaehlten knapp 20% zu den "alten Hasen"; sie beschaeftigten sich seit ueber fuenf Jahren mit Netzen, also lange bevor Deutschland ans Internet angeschlossen wurde. Die durchschnittliche Netz-Erfahrung lag bei M=2,3 Jahren (M=28 Monate, SD=22; Median=24, Modus=24). Wetzstein et al. (1994) berichteten eine durchschnittliche Netzerfahrung von M=3,1 Jahren fuer ihre untersuchte Stichprobe. Dauer der Netznutung n % ................................................ unter 1 Jahre 112 33 1-2 Jahre 73 22 2-3 Jahre 55 17 3-4 Jahre 35 11 5-6 Jahre 36 11 ueber 6 Jahre 21 6 ................................................ 332 100 2.2.8. Kosten der Netznutzung Ist Netznutzung ein teures Vergnuegen, eine elitaere Freizeitbeschaefti- gung? Fuer viele, naemlich gut 40% der Netznutzer kostet "Netting" nichts, da sie von kostenlos bereitgestellten Universitaets-Accounts profitieren. Fuer weitere ca. 40% von Nutzern liegen die monatlichen Ausgaben unter 50 DM, da gemeinnuetzige Vereine (Subnetz, Offenes Netz) einen kostenguenstigen Netzzugang anbieten. Volle Internet Con- nectivity ist bei vielen Vereinen jedoch noch im Aufbau, zudem ist der Point-Betrieb umstaendlich und vom Funktionsumfang eingeschraenkt. Wer seinen privaten Netz-Zugang optimieren moechte (z.B. ISDN nach Hause legen laesst) und das Netz intensiv nutzt, kann durchaus mehrere hundert DM pro Monat ausgeben. Die Kosten rangierten von 0 bis 900 DM (M=44 DM, SD=94; Median=10, Modus=0). Kosten n % ................................................ keine Ausgaben 140 42 unter 10 DM 31 10 10-50 DM 94 28 50-100 DM 37 11 100-200 DM 17 5 ueber 200 DM 13 4 ................................................ 332 100 2.3. Fragebogenguete und Akzeptanz Das eingesetzte Befragungsinstrument bestand aus einer Reihe von Ein- zelitems und einem psychometrischen Einsamkeitsfragebogen, dessen Testguete im folgenden diskutiert wird (2.3.1). Anschliessend werden Akzeptanz und Antwortverhalten behandelt (2.3.2). 2.3.1. Testguete der Einsamkeitsskala Die UCLA Loneliness Scale ist ein nach den Regeln der klassischen Testtheorie konstruiertes Erhebungsinstrument, dessen Testguete in der Literatur als zufriedenstellend beurteilt wird. a) Objektivitaet Da es sich um einen standardisierten Fragebogen handelt, sind Durch- fuehrungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivitaet gegeben. (Dies gilt auch fuer die anderen Items des Untersuchungsinstruments.) b) Reliabilitaet Die Reliabilitaet der eingesetzten deutschen Uebersetzung der UCLA Loneliness Scale ist mit einem Split-Half-Koeffizienten von Rel=0.90 und einem Cronbach-Alpha-Koeffizienten von alpha=0.90 zufrie- denstellend. c) Validitaet Validitaetsstudien mit der UCLA Loneliness Scale kamen bislang zu po- sitiven Ergebnissen (zu den testtheoretischen Eigenschaften der UCLA Loneliness Scale (vgl. z.B. Russell et al. 1978, 1980; Stephan & Faeth 1989). Eine Konstruktvalidierung der Einsamkeitsdaten an der hier un- tersuchten Stichprobe von Netznutzern fiel ebenfalls guenstig aus. Vier Effekte, die in der Einsamkeitsforschung immer wieder gezeigt werden konnten, wurden zur Konstruktvalidierung herangezogen: 1. Effekt: Partnerlose sind einsamer als Personen mit fester Partnerschaft. Ergebnis: Die befragten Netznutzer ohne feste Partnerschaft (n=123) erreichten einen durchschnittlichen Einsamkeitwert von M=2,04 (SD=0,55) ge- genueber Personen mit fester Partnerschaft M=1,75 (SD=0,44,n=128). Dieser Unterschied ist signifikant (t=5.04, p<0.001). 2. Effekt: Je mehr Freunde Personen haben, umso weniger einsam fuehlen sie sich. Ergebnis: Der negative Zusammenhang konnte bestaetigt werden (r=-0.15, p<0.001). 3. Effekt: Je mehr Bekannte Personen haben, umso weniger einsam fuehlen sie sich. Ergebnis: Auch dieser negative Zusammenhang zeigte sich bei den untersuchten Netznutzern (r=-0.19, p<0.001). 4. Effekt: Je einsamer Personen sind, umso geringer ist ihr Selbstwertgefuehl. Ergebnis: Zwischen dem Einsamkeitswert der UCLA Loneliness Scale und der Selbsteinschaetzung im Selbstwertgefuehl bestand ein signifikanter negativer Zusammenhang (r=-0,35, p<0.001). Stephan und Faeth (1989) hatten fuer den Zusammenhang zwischen Selbstwertgefuehl und Einsamkeit bei n=247 Studenten einen Koeffizienten von r=-0,36 ermittelt. 2.3.2 Akzeptanz des Fragebogens Da Einsamkeit ein Stigma darstellt, sind einsamkeitsbezogenen Fragen stets heikel. Die damit verbundene Problematik der Antwortverzerrung wird im folgenden diskutiert. Neben der universellen Tendenz, in sozial erwuenschter Weise zu antworten, koennen Hypothesen ueber die Zielsetzung einer konkreten Untersuchung das Antwortverhalten veraendern, auch dieser Aspekt wird eroertert. A) Antwortverzerrungen In Fragebogenuntersuchungen ist stets mit Prozessen der Selbstdar- stellung zu rechnen (zur Fragebogenmethode vgl. Mummendey 1987; fuer einen Ueberblick zur Psychologie der Selbstdarstellung s. Mum- mendey 1989). Da Einsamkeit ein Stigma darstellt, ist tendenziell eher von Unterschaetzungen als von Ueberschaetzungen der subjektiven Einsamkeit auszugehen. Bei der vorliegenden Gruppe koennte der beschriebene Selbstdarstellungseffekt aus zwei Gruenden ausgepraegter sein als in der Gesamtbevoelkerung: Die Gruppe besteht zu 96% aus Maennern und zu 100% aus Computernutzern. a) Geschlechtsspezifische Antwortverzerrungen Maenner neigen bei emotionalen Inhalten - so auch bei Einsamkeit - im Durchschnitt zu weniger offenem Antwortverhalten. Dieser ge- schlechtsspezifische Antworteffekt zeigt sich jedoch v.a. bei direkten Selbsteinschaetzungen (z.B. "Ich fuehle mich oft einsam" Antwort: stimmt gar nicht / wenig / ziemlich / voellig), nicht jedoch bei der UCLA Loneliness Scale, die in den bislang vorliegenden Studien tendenziell hoehere Einsamkeitswerte bei Maennern ergab (vgl. Borys & Perlman 1985), was in Einklang steht mit dem aktuellen Forschungsstand der Einsamkeitspsychologie, die aus mehreren Gruenden von einer staerkeren Einsamkeitsbelastung der Maenner ausgeht (vgl. Puls 1989: 105ff., Roehrle 1994: 193ff.). Auch in der vorliegenden Respondentengruppe wird die intensivere durchschnittliche Einsamkeit der Maenner offensichtlich nicht durch Antworteffekte ueberdeckt: Die 290 befragten Maenner erreichten einen Einsamkeitswert von M=1,88 (SD=0,50) gegenueber den 13 befragten Frauen, die einen Wert von M=1,68 (SD=0,51) erzielten. Diese Diffe- renz ist aufgrund der geringen Gruppengroesse bei den Frauen nicht signifikant (der Test hat nur eine Power von 28%). b) Adressatenspezifische Antworteffekte Aufgrund des Stereotyps vom einsamen, kontaktgestoerten Computer- freak reagieren manche Netznutzer auf einsamkeitsbezogene Fragen besonders sensibel und koennten motiviert sein, ihre Antworten bewusst in stereotyp-kontraerer Richtung zu verzerren. Dies sollte insbesondere bei jenen Respondenten der Fall sein, die unterstellen, die Untersuchung haette genau das Ziel, Stereotype zu bestaetigen. Solche Hypothesen- effekte werden unten behandelt. Fuer die Mehrheit der Netznutzer wird jedoch nicht vermutet, dass sie sich durch die Untersuchung persoenlich angegriffen fuehlten, da sich aus der Innenperspektive der "Netzgemein- de" Netznutzer keineswegs als homogene Gruppe mit ausgepraegtem Kollektivbewusstsein darstellen. D.h. viele Netznutzer halten es durchaus fuer moeglich, dass Netznutzung bei manchen anderen Personen negative Folgen wie z.B. Einsamkeit oder Sucht haben kann, so dass sie sich nicht automatisch persoenlich diskriminiert fuehlen, wenn Fragen aus dem Bereich soziale Integration/Einsamkeit gestellt werden. Zusammenfassend kann man sagen, dass sozial erwuenschtes Antworten aus Angst vor Stigmatisierung durch die Zusicherung von Anonymitaet reduziert wurde. (Zum Teil ist unter Netznutzern erhebliche Skepsis gegenueber Anonymitaetszusicherungen verbreitet, insbesondere wird bei Umfragen zum Teil die fuer eine kommerzielle Verwertung interessante verkappte Erfassung von "Persoenlichkeitsprofilen" mit Adressen vermutet. Obwohl sich Netzadressen, wie auch der Absender dieser Netzumfrage, "faelschen" lassen, duerfte der Kopf der Umfrage mit vollem Namen und Institutsadresse sowie der Verweis auf die Kieler Netztage als "vertrauensbildende Massnahme" gelten: all diese Angaben liessen sich leicht verifzieren und einen kommerziellen Hintergrund der Umfrage unwahrscheinlich erscheinen). Zudem sollte die Ankuendigung einer ausfuehrlichen Ergebnis- rueckmeldung "ehrliches" Antworten motivieren, da die Respondenten nur so einen echten Informationsgewinn aus der Untersuchung erwarten koennen. Die Einsamkeitswerte der UCLA Loneliness Scale korrelieren nur gering mit sozialer Erwuenschtheit (vgl. Russell et al. 1980), insbesondere gravierende geschlechtsspezifische Antwortverzerrungen sind nicht zu erwarten. Insgesamt sind jedoch in dieser Untersuchung - genau wie in anderen Einsamkeitsstudien - leichte Unterschaetzungen der subjektiven Einsamkeit nicht auszuschliessen. B) Hypothesen ueber das Untersuchungsziel Fuer die Salienz des Stereotyps vom "einsamen Hacker" sprechen die Kommentare, die 18 Respondenten dem Fragebogen beigefuegt hatten. Sie aeusserten die Vermutung, der Fragebogen diene nur dazu, Klischees ueber Computernutzer zu bestaetigen. 15 Respondenten fuellten den Fragebogen trotzdem aus, 2 uebersprangen die Einsamkeitsfragen und 1 Respondent schickte folgende Email (Rechtschreibfehler wurden korrigiert): "Herrje, ich bin ein kleiner, schmaechtiger Informatiker, der wenig mit seiner Umwelt gemeinsam hat. Ich habe Minderwertigkeitskomplexe und keinen Freundeskreis, zu Parties gehe ich sowieso schon mal nicht, weil ich mich unter vielen Menschen nicht wohl fuehle. Ich habe nur Freunde, die ich ueber das Internet gewonnen habe, denn da bin ich was, da habe ich einen Namen, da bin ich stark. Und da stoebere ich in dem alt.sex. Baum rum, denn eine Frau anzusprechen traue ich mich nicht. Ich werde mich in Zukunft noch viel mehr mit dem Internet befassen und so an meiner Vereinsamung arbeiten. - Das ist es doch, was Ihr hoeren wollt? Anstatt dumme Diskussionen zu fuehren, solltet Ihr lieber etwas Pro- duktives machen." In der Newsgroup wurde eine Diskussion ueber den Fragebogen gefuehrt, die am 30.8.1994 folgendermassen begann. (Die ersten vier Postings des Thread werden woertlich wiedergegeben, wobei Autorennamen verzichtbar sind. Jeder Autor quotete das Start-Posting und fuegte dann seine Antwort an.): Start-Posting: "Auch wenn ich mich unbeliebt mache, aber diese Umfrage hat an- scheinend nur den Sinn, das Vorurteil des einsamen, menschenscheuen und bindungsunfaehigen Informatikers (und sonstiger Netter) zu schue- ren... Meine Meinung halt..." 1. Antwort: "Das habe ich der Autorin in wohlgesetzten Worten auch geschrie ben ;-) see ya" 2. Antwort: "Vielleicht aber auch zu widerlegen, je nach dem, wie die Antworten ausfallen... Wer sehen wird, wird sehen ;-) Gruss" 3. Antwort: "... oder halt zu widerlegen. Du fuehlst Dich wohl als 'einsamer, menschenscheuer und bindungsunfaehiger Informatiker' angesprochen?! ;-) P.S. Sorry, couldn't resist." Der Prozess der Antwortverfaelschung sollte bei den Probanden, die in aehnlicher Weise wie der Verfasser des oben zitierten Start-Postings ihre Vermutungen ueber drohende Stereotypisierung bzw. Stigmatisierung aeusserten, daran erkennbar sein, dass ihr durchschnittlicher Einsam- keitswert unter dem der uebrigen Gruppe liegt. Genau dies war der Fall: Die n=15 skeptischen Probanden, die die Einsamkeitsfragen beantwortet hatten, erreichten einen Einsamkeitswert von M=1,66 (SD=0,43), die Respondenten, die keinen Kommentar abgegeben hatten (n=197), erhiel- ten einen Einsamkeitswert von M=1,91 (SD=0,36). Moeglich (aber eher unwahrscheinlich) waere auch, dass die skeptischen Probanden tatsaechlich weit unterschnittlich einsam waren und gar keine Antwortverzerrung vorlag, dies muesste jedoch in weiteren Untersu- chungen geklaert werden. Interessanterweise unterschieden sich auch die 90 Probanden, die ihren Fragebogen mit guten Wuenschen und Gruessen versehen hatten, von der "kommentarlosen" Gruppe und aehnelten mit einem durchschnittlichen Einsamkeitswert von M=1,79 (SD=0,35) eher den skeptischen Respondenten. Gesamt Skeptische Probanden (n=332) (n=18) Antwortverhalten n % M (Einsam) n M (Einsam) ........................................................... Kein Kommentar 211 60 1,91 (n=197) 0 - Gruss 90 26 1,79 (n=88) 2 1,42 (n=2) Kritik 44 13 1,73 (n=33) 15 1,70 (n=13) Flame 5 1 - 1 - ........................................................... 350 100 1,86 (n=318) 18 1,66 (n=15) Ein Indiz fuer Antwortverzerrungen waeren auch gleichsinnige Abwei- chungen im Sinne einer Unterschaetzung der Einsamkeit auf allen Ein- zelitems. Eine Gegenueberstellung der Itemmittelwerte der skeptischen Probanden und der kommentarlosen Probanden ist in Tab. 5 im Anhang zu finden. Obwohl schematische Antwortverzerrungen auf Itemebene nicht feststellbar sind, kann insgesamt ein Herunterkorrigieren der subjektiv empfundenen Einsamkeit - v.a. motiviert durch Reaktanz gegenueber der vermuteten Zielstellung der Untersuchung - nicht ausgeschlossen werden. Die 15 skeptischen Probanden wurden des- wegen von den weiteren Analysen ausgeschlossen. Dies ist zulaessig, weil die Herausnahme von Probanden mit niedrigen Einsamkeitswerten die Bestaetigung der hier aufgestellten Hypothesen erschwert und nicht etwa erleichtert! 2.4. Hypothesen und Ergebnisse Anlass dieser Untersuchung und Ausgangspunkt der Hypothesenbildung sind die bekannten Befuerchtungen ueber sozialschaedliche Wirkungen der Netznutzung. Diese Vorstellungen sind auf der Basis bislang vorlie- gender Empirie (vgl. 1.2) - aber auch aus thereotischer Sicht - zu rela- tivieren, oftmals sogar gaenzlich zu revidieren. Entsprechend haben viele der im folgenden praesentierten Hypothesen den Status von Nullhypo- thesen, d.h. sie widerprechen gaengigen Ideen ueber signifikante und ne- gative Auswirkungen der Netz-Nutzung und prognostizieren dagegen entweder keine Beeintraechtigungen des Soziallebens von Netznutzern oder weisen sogar auf positive Konsequenzen hin. Da es sich bei der vorliegenden Studie um eine quasi-experimentelle Untersuchung handelt, koennen keine Kausalhypothesen bestaetigt, son- dern lediglich Korrelationen nachgewiesen werden, deren Verursa- chungszusammenhaenge nur zu vermuten sind. Allerdings ist es moeglich, Kausalhypothesen zu falsifizieren, indem die durch den Kausalzuammenhang implizierten korrelativen Zusammenhaenge widerlegt werden (modus tollens). Im Paradigma des klassischen Signifikanztests handelt es sich um die Annahme der Nullhypothese, die nur bei kontrollierter beta-Fehler-Wahrscheinlichkeit gerechtfertigt ist, woraus sich ergibt, dass die Alternativhypothese erst bei einer alpha- Fehler-Wahrscheinlichkeit von p>0,20 zu verwerfen ist (gegenlaeufige Beziehung zwischen alpha- und beta-Fehler vgl. Bortz 1993: 117). 2.4.1. Sind Netznutzer besonders isoliert? Hypothese: Internet-Nutzer sind nicht isolierter (Isolation operationalisiert ueber Anzahl der guten Freunde, Anzahl der Bekannten und Vorliegen einer Partnerschaft) als Nicht-Nutzer. a) Freunde Die Anzahl der guten Freunde rangierte von 1 bis 23 bei einem Mittelwert von M=6,7 Freunde (SD=4,2; Median=5, Modus=5). Dieses Ergebnis stimmt mit dem Befund von Barth (1993) ueberein, der bei Computernutzern (n=42, darunter aber nur 8 Netznutzer) durch- schnittlich M=6,3 (SD=3,6) Freunde ermittelte ("Freunde" wurden operationalisiert als Personen, die "mindestens einmal in der Woche bei dir oder ihnen zuhause" gesehen werden). Fuer die von ihm befragten 36 Computerunerfahrenen ermittelte Barth (1993: 115) M=9,3 (SD=10,03!) Freunde - eine Differenz, die aufgrund der hohen Streuung nicht signifikant ist. Nach Altergruppen gestaffelt koennen folgende Vergleichsdaten fuer Freundeszahlen herangezogen werden: Ederer (1989) fand bei 253 oesterreichischen Schuelern (46% Jungen, 54% Maedchen, Durchschnittsalter: 13 Jahre) durchschnittlich M=2,9 (SD=1,88) gute Freunde (definiert als Vertrauensperson, mit der man ueber Probleme offen sprechen kann). In einer Untersuchung an N=250 Jugendlichen aus Deutschland, Oesterreich und Schweiz (Durchschnittsalter 16 Jahre, 60% Maedchen, 40% Jungen) wurden mit derselben Operationalisierung wie bei den Netznutzern durchschnittlich M=4.1 (SD=3,30) gute Freunde ermittelt (unveroeffentlichte eigene Untersuchung 1994). In einer Stichprobe von N=160 Studierenden (57% Frauen, 43% Maen- ner, Durchschnittsalter 25 Jahre) unterschiedlicher Fachbereiche der Technischen Universitaet Berlin konnte eine durchschnittliche Anzahl guter Freunde von M=6,0 (SD=3,4; Median=5, Modus=5, Range: 0 bis 30 Freunde) ermittelt werden (unveroeffentlichte eigene Untersuchung 1993). Bei 156 Westberliner Hochbetagten (50% Frauen, 50% Maenner, Durchschnittsalter 85 Jahre) fanden Schuetze und Lang (1993: 216) durchschnittlich M=2,2 Freunde (Angabe zur Streuung fehlt). Mit durchschnittlich knapp sieben guten Freunden zeigten sich die befragten Netznutzer nicht emotional isolierter als jugendliche und studentische Nicht-Nutzer. Im Vergleich zu anderen Bevoelkerungs- gruppen (Kindern, Hochbetagten) erweisen sich die Netznutzer als emotional gut intergriert. b) Bekannte Die Anzahl der Bekannten rangierte von 4 bis 300 bei einem Mittelwert von M=32,1 (SD=29,4; Median=25, Modus=20). Die o.g. Stichprobe von N=250 Jugendlichen berichtete durchschnittlich M=15,50 (SD=12,50) Bekannte. Das Institut fuer Demoskopie Allens- bach ermittelte 1990 einen Durchschnitt von M=31 Bekannten fuer die bundesdeutsche Bevoelkerung (Noelle-Neumann/Koecher 1993, S. 79). Betrachtet man die Haeufigkeitsverteilung, zeigen sich die befragten Netznutzer geselliger als der Bevoelkerungsdurchschnitt: 59% der Netznutzer hatten mehr als 30 (d.h. ueberdurchschnittlich viele Bekannte) gegenueber 36% in der Allensbacher Stichprobe. Allensbach Netznutzer Bekannte % %kum % %kum ........................................................... mehr als 50 21 21 11 11 30-49 15 36 48 59 10-29 47 73 23 82 1-9 15 98 18 100 ........................................................... 98 98 100 100 Mit durchschnittlich gut 30 Bekannten zeigten sich die befragten Netznutzer nicht sozial isolierter als der Bevoelkerungsdurchschnitt. b) Partnerschaft 144 Personen (43%) hatten eine feste Partnerschaft (nicht-ehelich oder ehelich), 59 (18%) unterhielten lockere Beziehungen, 129 (39%) waren alleinstehend (vgl. 2.2.4). Im Vergleich dazu befanden sich in der o.g. Stichprobe von N=160 Studierenden der TU Berlin 54% Personen mit fester Partnerschaft, 12% mit lockeren Beziehungen und 34% Allein- stehende. Unterteilt man die Angaben nach Geschlechtern, wird deutlich, dass sich die maennlichen Studierenden (39% Alleinstehende) von den maennlichen Netznutzern (39% Alleinstehende) nicht ungerscheiden: Netter Studen- Netter- Studen- ten innen tinnen (n=319) (n=56) (n=13) (n=74) % % % % ........................................................... feste Partnerschaft 44 43 36 63 lockere Beziehungen 17 18 43 7 alleinstehend 39 39 21 30 ........................................................... 100 100 100 100 Es zeigte sich, dass sich die Gruppe der maennlichen Netznutzer nicht von den Studenten unterschieden, waehrend sich bei den weiblichen Probanden deutliche Differenzen zeigten, die wegen der geringen Zahl der befragten Netznutzerinnen jedoch nicht sehr aussagekraeftig sind. Mit einem Anteil von ca. 40% Alleinstehenden unterschieden sich die befragten Netznutzer nicht von maennlichen Studenten derselben Alters- stufe. 2.4.2, Fuehlen sich Netznutzer besonders einsam? Hypothese: Internet-Nutzer fuehlen sich nicht einsamer (Einsamkeit gemessen mit der University of California Los Angeles Loneliness Scale) als Nicht- Nutzer. Die befragten Netznutzer berichteten mit einem UCLA Loneliness Scale- Durchschnittswert von M=1,86 (SD=0,49, Me=1,75, Mo=1,7) erwar- tungskonform keine ueberdurchschnittliche Einsamkeitsbelastung (schliesst man die skeptischen Probanden aus, ergibt sich ein Wert von M=1,87, vgl. Tab. 5 im Anhang). Studierende haben ueblicherweise einen Durchschnittswert zwischen M=1,8 bis M=2,0 (vgl. Doering/Bortz 1993a: 513), dasselbe gilt fuer die Gesamtbevoelkerung: Bei einer Zei- tungsumfrage (Hamburger Abendblatt) ermittelte Schwab (1986) einen Einsamkeitswert von M=2,3 (N=516), eine Replikation mit derselben Zeitung, an der sich N=2024 Personen beteiligten, ergab 1994 einen Ein- samkeitswert von M=2,1 (eigene unveroeffentlichte Untersuchung 1994). Die Haeufigkeitsverteilung der Einsamkeitswerte ist wie ueblich bei der UCLA Loneliness Scale linkssteil und weicht signifikant von einer Normalverteilung ab (Kolmogorov-Smirnov-Test: Z=2,61, p<0,001). Die Linksschiefe der Verteilung entspricht den Befunden der Einsam- keitsforschung, die wenig Einsamkeit als "Normalfall" vorgibt und mittlere oder hohe Einsamkeit eher als "Ausnahmefall" einstuft. Der empirische Range der Einsamkeitswerte reichte von 1,05 bis 3,90. Wie die Perzentilen zeigen, waren einige der Befragten von starker Einsam- keit betroffen, so hatten immerhin 10% der Befragten Einsamkeitswerte ueber 2,5. Die Perzentilen der Haeufigkeitsverteilung lauten: 0% 0,00 10% 1,35 20% 1,50 30% 1,56 40% 1,70 50% 1,75 60% 1,85 70% 2,00 80% 2,25 90% 2,53 100% 3,90 Die befragten Netznutzer waren im Durchschnitt nicht einsamer als die Gesamtbevoelkerung und unterschieden sich auch nicht von studentischen Stichproben. 2.4.3. Sind langjaehrige Netznutzer isolierter und einsamer als Neulinge? Hypothese: Einsamkeit und Isolation nehmen mit der Dauer der Netznutzung (in Monaten) nicht zu, d.h. der Degenerationshypothese, nach der Netz- nutzung auf die Dauer sozialschaedlich wirkt, wird widersprochen. Wie erwartet, zeigte sich kein substantieller positiver Zusammenhang zwischen Nutzungsdauer des Netzes in Monaten und Einsamkeit (r=- 0,03 n.s.), was der Degenerationshypothese widerspricht. Einsame und nicht-einsame Netznutzer hatten gleichermassen durchschnittlich 29 Mo- nate (2,4 Jahre) Netzerfahrung. Die Dauer der Netznutzung korrelierte ebenfalls nicht (und schon gar nicht negativ) mit der Anzahl von Bekann- ten (r=+0,003 n.s.), von guten Freunden (r=+0,04 n.s.) und wichtigen Personen (r=-0,06 n.s.). Auch die Anzahl reiner Netzkontakte (r=+0,04 n.s.) und die Anzahl wichtiger Personen, mit denen persoenlich und elek- tronisch kommuniziert (r=+0,07 n.s.), standen nicht in linearem Zusam- menhang mit der der Nutzungsdauer. Ob jemand viele oder wenige Netz- kontakte hat, wird wohl eher von der Art der Netznutzung als von der Dauer der Netznutzung abhaengen. Auf die Dauer scheint Netznutzung nicht zur Degeneration der sozialen Beziehungen ausserhalb des Netzes und zu Einsamkeit zu fuehren. Auch die Anzahl reiner Netzkontakte scheint von der Dauer der Netznutzung unabhaengig zu sein, 2.4.4. Fuehrt Netznutzung zu immer mehr Netznutzung? Hypothese: Der Vorstellung einer allgemeinen Verdraengung der Alltagswirklichkeit (Real World) durch ein zunehmendes Abdriften in elektronische Schein- welten (Virtual Reality) wird widersprochen. Die Mediatisierung des Lebens, die Computerkritiker befuerchten, kann nur greifen, wenn Netz- nutzer tatsaechlich in den Sog des Mediums geraten und immer mehr Zeit in Netzen verbringen, so dass fuer direkte Erfahrungen keine Zeit bleibt. Dieses Bild des passiven Netznutzers, der Negativfolgen hilflos ausgeliefert ist, wird hier nicht geteilt. Es ist stattdessen davon aus- zugehen, dass sich nach einer anfaenglichen Phase der Faszination und Euphorie (die mit extensiver Netznutzung einhergehen kann) ein recht stabiles Nutzungsverhalten einpegelt und Netznutzer ihr Nutzungs- verhalten kritisch reflektieren und steuern. Bei den meisten Netznutzern - besonders aber bei den langjaehrig erfahrenen - ist deswegen anzuneh- men, dass sie davon ausgehen, in Zukunft genauso viel Zeit im Netz zu verbringen, wie bislang gewohnt. Es zeigte sich tatsaechlich, dass die Mehrzahl der befragten Netznutzer keine Veraenderung des Zeitbudgets erwartete. Nur 18% gingen von verstaerkter Netznutzung aus, diese Gruppe hatte durchschnittlich die geringste Nutzungserfahrung, diese Unterschiede waren jedoch nicht signifikant. "In Zukunft werde ich mehr / genauso viel / weniger Zeit im Netz verbringen." Netznutzung in Monaten n % M (SD) ................................................ mehr Zeit 57 18 18 (26) genauso viel Zeit 222 68 30 (22) weniger Zeit 45 14 29 (21) ................................................ 324 100 29 Monate Nutzer, die sich noch in der Einarbeitungsphase befinden und eine Er- weiterung ihrer Nutzungskompetenz erwarten, sowie Nutzer, denen eine technische Verbesserung des Netz-Zugangs bevorsteht (z.B. Uebergang vom Point-Betrieb zu direktem Intenet-Anschluss) sollten fuer die Zukunft erwarten, mehr Zeit im Netz zu verbringen. Reduzierte Netz- Nutzung sollten z.B. jene Nutzer fuer sich prognostizieren, die sich zum Befragungszeitpunkt in der nutzungsintensiven Anfangseuphorie befinden. Diese Hintergruende des Nutzungsverhaltens koennten Gegenstand weiterer Untersuchungen sein und wurden hier nicht naeher beleuchtet. Bei den erfahrenen Netznutzern hat sich ein festes Zeitbudget fuer die Netz-Nutzung eingepegelt, ein permanenter Aufschaukelungsprozess ist nicht feststellbar. 2.4.5. Sind Vielnutzer einsamer und isolierter als seltenere Nutzer? Hypothese: Einsamkeit und Isolation sind bei Vielnutzern (Personen, die taeglich oder fast taeglich das Netz nutzen und dabei auch eine laengere Sitzungsdauer absolvieren) nicht groesser als bei selteneren Nutzern. Haben wir oben festgestellt, dass sich das Zeitbudget fuer Netzakti- vitaeten stabilisiert, stellt sich nun die Frage, auf welchem Niveau dies geschieht und mit welchen Konsequenzen fuer Isolation und Einsamkeit. Wetzstein et al. (1994) ermittelten knapp 2 Stunden taegliche DFUe-Zeit bei ihren Respondenten (M=1,77; SD=1,58). Eine tabellarische Ueber- sicht zeigt die Frequenz und Dauer der Nutzung einzelner Internet- Dienste bei den befragten Netz-Nutzern: a) Nutzungshaeufigkeit Email News IRC MUD Ftp Anderes Nutzungshaeufigkeit % % % % % % ................................................................ taeglich/fast taeglich 82 77 7 1 19 10 2/3mal pro Woche 10 15 2 2 18 5 1mal pro Woche 4 4 5 1 20 4 2/3mal pro Monat 1 2 3 2 10 4 seltener 2 1 52 26 10 5 nie 1 1 67 86 22 72 ................................................................. 100 100 100 100 100 100 Gut 80% der Probanden gaben an, taeglich oder fast taeglich Email zu nutzen (1% nie), knapp 80% lasen taeglich oder fast taeglich die News (1% nie). IRC wurde dagegen nur von 7% der Respondenten taeglich genutzt (67% nie) und nur 1% spielten taeglich MUD (86% nie). Ftp, Gopher oder andere Informationsdienste wurden von knapp 20% taeglich eingesetzt (22% nie). Andere Dienste wurden von 10% taeglich in Anspruch genommen (72% nie). Email und News liegen in der Nutzungshaeufigkeit also eindeutig vorn. Dieses Ergebnis unterschaetzt die Bedeutung anderer Internet-Dienste, da zum einen nicht alle Respondenten ueber einen vollen Internet-Zugang verfuegten zum anderen diese Dienste nur undifferenziert erfasst wurden. In der Studie aus Trier (Wetzstein et al. 1994, S: 333) gaben 77% der Befragten an, haeufig oder sehr haeufig News zu lesen, 72% nutzen haeufig oder sehr haeufig Email. Das Uebertragen von Dateien war bei 48% eine haeufige oder sehr haeufige Netzaktivitaet, Chat wurde von 23% genannt. Die Daten zeigen also ebenfalls eine Dominanz von Email und News sowohl gegenueber anderen Netzaktivitaeten als auch anderen Computeranwendungen wie z.B. Textverarbeitung (67%), Program- mieren (63%) oder Grafik/DTP (31%). Vergleicht man fuer News, Mail, MUD und IRC diejenigen, die diese Dienste taeglich nutzen, mit den anderen Probanden, so zeigen sich fol- gende Differenzen: Taegliche Email-Nutzer (n=224) hatten im Vergleich zu selteneren Nutzern (n=41) mehr wichtige Personen, mit denen sie sowohl ueber Netz als auch face-to-face interagierten (10 versus 5 wich- tige Personen, t=3,4, p<0,001). Gleichzeitig hatten taegliche Email-Nut- zer auch mehr wichtige Personen, mit denen sie nur ueber das Netz kom- munzierten (3 versus 1 Person, t=2,3, p<0,05). Fuer taegliche IRC-Nutzer (n=21) traf dasselbe zu: auch sie hatten signi- fikant mehr wichtige Beziehungspartner, mit denen sie auch uebers Netz kommunizierten (12 versus 9) und insgesamt hatten taegliche IRC- Nutzer signifikant mehr Bekannte (48 versus 31, t=2,6, p<0,001) als seltenere IRC-Nutzer. IRCer scheinen somit keine besonders kontakt- scheuen Personen zu sein, wie sich auch in den als "Relay Parties" insti- tutionalisierten regelmaessigen Zusammenkuenften von IRCern in "Real Life" zeigt (zu Relay Parties vgl. Seidler 1994). Da es nur vier taegliche MUD-Spieler unter den Befragten gab, eruebrigen sich Gruppenvergleiche. Zwischen taeglichen (n=207) und selteneren (n=58) News-Lesern gab es keinerlei Unterschiede in der sozialen Integration oder Isolation. Einsamkeitsunterschiede zeigten sich fuer keinen Dienst und auch die einsamkeitskritischen Variablen Freundeszahl und Partnerschaft variierten zwischen den Gruppen nicht. Dies spricht eindeutig gegen eine Substitutionshypothese. Die Nutzungshaeufigkeit von Email, News, IRC und MUD steht in keinem Zusammenhang mit sozialer Isolation oder Einsamkeit. Wer taeglich Mail oder IRC nutzt, hat im Vergleich zu selteneren Nutzern dieser Dienste tendenziell eher mehr Kontakte. b) Sitzungsdauer Die Angaben zur Sitzungsdauer zeigen, dass IRC und MUD tatsaechlich zu den zeitintensivsten Netzaktivitaeten gehoeren, wenn sie denn genutzt werden. Email beansprucht dagegen oftmals nur einige Minuten. Der Zeitaufwand fuer News liegt mit 30 bis 60 Minuten im mittleren Bereich. Die Angaben sind jedoch teilweise ungenau, da einige Respondenten statt der Netto-Nutzungszeit auch Hintergrundprozesse angaben. Schliesslich fiel es einigen Probanden schwer, ihre Nutzungsdauer ueber- haupt zu quantifizieren, da diese starken Schwankungen unterliegt: Email News IRC MUD Ftp Anderes Sitzungsdauer % % % % % % ........................................................... 1-10 Minuten 43 5 16 3 38 12 11-20 26 19 12 - 21 20 21-30 18 28 21 19 20 31 31-60 9 34 11 26 13 23 61-120 12 30 11 10 32 8 mehr als 120 1 13 18 6 19 7 ........................................................... 100 100 100 100 100 100 Ein Extremruppenvergleich zwischen Nutzern, die Email, News oder IRC taeglich und laenger als eine halbe Stunde nutzen (n=44) und Per- sonen, die Email, News oder IRC maximal 2/3mal pro Woche und weniger als 30 Minuten nutzen (n=81) ergab, dass intensive Netznutzer signifikant mehr reine Netzkontakte und mehr Kontakte, die auch durch Netzkommunikation aufrechterhalten werden, haben: Intensive Nutzer Schwache Nutzer M (SD) M (SD) ............................................................. Freunde 7 (5) 7 (4) n.s. Bekannte 40 (36) 31 (24) n.s. wichtige Personen (nie Netzkontakte) 13 (16) 17 (18) n.s. wichtige Personen (auch Netzkontakte) 13 (10) 7 (8) t=3,1, p<0,01 wichtige Personen (nur Netzkontakte) 5 (11) 1 (4) t=2,9, p<0,01 Einsamkeit 1,9 (0,6) 1,8 (0,5) n.s. ............................................................. Auch wer sich taeglich mehr als eine halbe Stunde mit IRC, Mail oder News beschaeftigt, ist nicht ueberdurchschnittlich isoliert oder einsam, stattdessen hat er zusaetzliche Netzkontakte. 2.4.6. Sind MUD-Spieler besonders isoliert und einsam? Hypothese: MUD-Spieler sind nicht ueberdurchschnittlich isoliert oder einsam. MUD-Spieler sollten sich jedoch von den uebrigen Netznutzern darin unterscheiden, dass sie besonderes Interesse an einem Spiel mit Rollen und Identitaeten haben. Diese Vorliebe muss nicht unbedingt als eska- pistisch pathologisiert werden, sondern kann auch mit Phantasie und Kreativitaet verbunden werden. MUD-Spieler stellen unter den Netznutzern eine als besonders sucht- gefaehrdet und isoliert angesehen Minderheit dar, allerdings scheint es sich auch hierbei um ein Klischee zu handeln: Ein empirischer Vergleich von MUD-Spielern mit nicht-spielenden Netznutzern ergab, dass MUD- Spieler signifikant juenger sind als die Gesamtgruppe und hypothesen- konform weder besonders isoliert noch besonders einsam erscheinen. MUD-Spieler Nicht-Spieler (n=48) (n=267) ............................................................... Alter 25 (3) 27 (5) t=2,5, p<0,01 feste Partnerschaft 32% 44% n.s. Freunde 7 (5) 7 (4) n.s. Bekannte 37 (32) 32 (29) n.s. Einsamkeit 1,9 (0,6) 1,8 (0,5) n.s. Selbstwertgefuehl 3,6 (0,9) 3,7 (0,9) n.s. Identitaet 1,9 (1,1) 1,6 (0,8) t=2,3, p<0,05 ............................................................... Wie erwartet, stimmten MUD-Spieler der Aussage "Ich moechte gerne jemand anderes sein" eher zu (M=1,9) als Nicht-Spieler (M=1,6). Zwar koennen MUDs eine aeusserst hohe Faszination auf manche Spieler ausueben und zu suchtaehnlichem Verhalten fuehren, dies ist aber nicht der Normalfall. Viele MUDs unterscheiden sich de facto im "Spiel"-Ablauf (alle Spieler versammeln sich an einem zentralen Ort und unterhalten sich) wenig von manchen IRC-Channels, die ihrerseits MUD- Elemente aufgreifen (z.B. Etablierung virtueller Objekte). Die Nutzung von MUD und IRC korreliert (r=+0,32, p<0,001), d.h. 68% der MUD- Spieler sind auch IRCer. kein IRCer IRCer ............................................................. kein MUD-Spieler 195 (74%) 67 (26%) 262 (86%) MUD-Spieler 14 (32%) 30 (68%) 44 (14%) 209 (68%) 97 (32%) 306 (100%) ............................................................. Insgesamt zeigte sich, dass auch die besondere Gruppe der MUD-Spieler nicht einsamer und isolierter ist als die Gruppe der Nicht-Spieler. 2.4.7. Ersetzen Netz-Kontakte die "echten" Kontakte? Hypothese: Es besteht kein negativer, sondern ein positiver Zusammenhang zwischen der Anzahl "reiner" Netz-Kontakte (wichtige Personen, mit denen man nur elektronisch kommuniziert) und der Anzahl persoenlicher Kontakte (wichtige Personen, mit denen man nie elektronisch kommuniziert), d.h. der Substitutionshypothese, nach der Netz-Kontakte zunehmend "echte" Kontakte ersetzten und verdraengen, wird widersprochen. Fuer die befragten Netznutzer gilt: Wer viele Freunde hat, hat auch mehr Bekannte (r=+0,29, p<0,001), hat mehr Beziehungspersonen, mit denen er oder sie persoenlich und elektronisch kommuniziert (r=+0,20, p<0,001) und hat mehr reine Netz-Kontakte (r=+0,13, p<0,05). Geselliges Verhalten schlaegt sich also innerhalb und ausserhalb des Netzes nieder. Umgekehrt kann man sagen, dass die Pflege von Netz- kontakten offensichtlich nicht auf Kosten der persoenlichen Kontakte geht. Vielmehr scheinen gesellige Personen das Netz verstaerkt kommunikativ zu nutzen: Wer mehr reine Netzkontakte hatte, kommu- nizierte auch haeufiger elektronisch mit Beziehungspartnern, mit denen auch face-to-face interagiert wurde (r=+0,37, p<0,001). Netze sind in dem Masse als kommunikative Alltagsmedien zu be- zeichnen, wie sich die Sphaere der Netz-Beziehungen und die Sphaere der Alltagsbeziehungen ueberlappen. Die befragten Netznutzer berich- teten durchschnittlich M=9 (SD=9) "wichtige" Personen in ihrem Leben, mit denen sie face-to-face und ueber Netze kommunizieren. Nur ein Drittel der befragten Netznutzer unterhielt reine Netzbeziehungen, die subjektiv bedeutsam waren. Anzahl der rein pers. pers. & elektr. rein elektr. Beziehungs- Kommunikation Kommunikation Kommunikation partner % % % ............................................................... 0 Personen 0 20 58 1-9 33 48 33 10-29 51 26 7 30-50 7 5 1 mehr als 50 9 1 1 ............................................................... 100 100 100 M=18 (SD=19) M=9 (SD=9) M=3 (SD=6) 1-100 Personen 1-60 Personen 1-50 Personen Netznutzung dient also im sozialen Bereich in erster Linie der Kommuni- kation mit wichtigen Beziehungspartnern, die auch anderweitig kontak- tiert werden, waehrend reine Netzkontakte seltener auftreten und insge- samt auch nur zu wenigen Personen bestehen. Wer viele Netzkontakte unterhaelt, hat typischerweise auch viele Bekannte und Freunde in "Real Life", ist also nicht besonders isoliert, sondern tendenziell eher besonders gesellig. Obwohl bei der Mehrzahl der Probanden (80%) face-to-face- und Netzkommunikation ineinander greifen, spielen reine Netzkontakte im Vergleich zu persoenlichen Kontakten zahlenmaessig eine untergeordnete Rolle. 2.4.8. Schuetzt Netznutzung vor Einsamkeit? Hypothese: Ebenso wie Freunde, Bekannte und Partner vor Einsamkeit schuetzen, sollten zusaetzliche Netzkontakte ebenfalls Einsamkeitsgefuehlen vor- beugen. Wie bereits in der Konstruktvalidierung (2.3.1) gezeigt wurde, hing Ein- samkeit bei den befragten Netznutzern von der Anzahl der Freunde, der Bekannten und von der Partnerschaft ab, und zwar in gleicher Weise wie bei Nicht-Nutzern. Die Tabelle kontrastiert nicht-einsame oder wenig einsame Netznutzer (n=255, Einsamkeitswerte unter 2,25) mit den gemaess Perzentilwerten (vgl. 2.42) 20% einsamen Netznutzern (n=53, Einsamkeitswerte ueber 2,25). Nicht-Einsame Einsame M (SD) M (SD) t-Test .............................................................. Anteil mit fester 34 % 60 % chisq=14, p<0,001 Partnerschaft Anzahl der guten Freunde 7 (4) 5 (4) t=3,08, p<0,001 Anzahl der Bekannten 34 (32) 23 (15) t=3,94, p<0,001 Anzahl wichtiger Personen (nie Netzkontakte) 20 (24) 14 (14) t=2,00, p<0,01 Anzahl wichtiger Personen (auch Netzkontakte) 9 (9) 9 (10) n.s. Anzahl wichtiger Personen (nur Netzkontakte) 3 (7) 1 (2) t=2,52, p<0,05 Einsamkeit 1,6 (0,3) 2,7 (0,4) t=19,6, p<0,001 .............................................................. Es zeigte sich, dass die Einsamen durchgaengig weniger Kontakte hatten als die Nicht-Einsamen, dies gilt auch fuer reine Netzkontakte. Zwischen subjektiver Einsamkeit und der Anzahl wichtiger Personen, mit denen nur ueber das Netz kommuniziert (r=-0,02, n.s.) oder teilweise ueber das Netz kommuniziert wird (r=-0,04, n.s.), bestand jedoch kein substan- tieller linearer Zusammenhang. Die Hypothese, dass reine Netzkontakte zu subjektiv wichtigen Personen Einsamkeit verringern koennen, wurde nicht bestaetigt: Es konnte kein Zusammenhang zwischen der Anzahl von Netzkontakten und subjektiver Einsamkeit festgestellt werden. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass die UCLA Loneliness Scale eher ueberdauernde Einsamkeitsgefuehle aufgrund von Isolation (trait lone- liness) als kurzfristige Einsamkeitsstimmungen (state loneliness) erfasst (Naeheres zur Einsamkeitspsychologie s. Doering 1994). Um die vermu- teten Zusammenhaenge zwischen temporaeren Einsamkeitsgefuehlen und Netznutzung zu untersuchen, waere eine feinere Erfassung von Einsam- keitsgefuehlen auf Situationsebene erforderlich. Vielversprechend waere auch eine Mikroanalyse der Unterstuetzungsfunktionen der Netz- gemeinde im Zusammenhang mit der Bewaeltigung kritischer Lebens- ereignisse und damit verbundener sozialer Isolation und subjektiver Einsamkeit. So ist den News zumindest anekdotisch zu entnehmen, dass die alt.support.* Hierarchie gut frequentiert ist und Netznutzer diese elektronischen Selbsthilfegruppen aeusserst hilfreich erleben. 2.4.9. Dient Netznutzung der Realitaetsflucht? Hypothese: Netzaktivitaeten sind nicht eskapistisch, sondern dienen der Alltags- bewaeltigung. Netzaktivitaeten ersetzen keine Alltagserfahrungen im Sinne der Mediatisierung, sondern bereiten oftmals gerade sinnliche Alltagserfahrungen (z.B. Partnerschaft, Urlaub) vor. Die Aussage "Ich habe im Internet gefunden:" wurde folgendermassen beantwortet (Mehrfachnennungen moeglich): im Netz gefunden n % ......................................... Freunde/Bekannte 192 41 Fachkollegen 135 29 Arbeitsstelle 34 7 Ehe-/Lebenspartner 10 2 Wohnung 3 1 Anderes 95 20 ......................................... 469 Nennungen 100 Von den Respondenten, die "Anderes" angekreuzt hatten, wurden Stichworte genannt, die sich grob in vier Kategorien einteilen lassen (vgl. Tab. 6 im Anhang): 1. Kontakte zu Personen (z.B. Diskussionspartner, Leute mit gleichem Hobby), 2. Kauf von Waren (z.B. Computerteile, Fahrrad, Einrichtungsgegenstaende), 3. Zugriff auf Informationen (z.B. Hilfe bei Hard- und Softwareproblemen, Urlaubsziele) und 4. Psychologische Gratifikationen (z.B. Amusement, Anerkennung). Es zeigte sich, dass die befragen Netznutzer das Netz nicht nur als sach- bezogene Informationsquelle nutzen, sondern auch als Kontaktforum wahrnehmen und zudem alltaegliche Erledigungen wie z.B. den Kauf und Verkauf von Waren oder die Urlaubsplanung ueber das Netz regeln. Weder Weltflucht noch Mediatisierung stehen hierbei im Vordergrund. 2.4.10. Sind Netz-Nutzer aggressive Flamer? Hypothese: Neben der These, dass Netz-Nutzung die Sozialkontakte ausserhalb des Netzes beschaedigt, wird von Kritikern auch betont, dass Kontakte innerhalb des Netzes defizitaer, unbefriedigend oder verletzend sein koennen. Flaming wird dafuer haeufig als Beispiel angefuehrt (Flame: aggressive, persoenlich beleidigende Aeusserung). In der Anonymitaet und/oder physischen Distanz, fuehlt man sich in Sicherheit, der Adressat und dessen Gefuehle geraten aus dem Blickfeld, so dass scheinbar "ungestraft" unangemessen heftige, persoenlich beleidigende Nachrichten verschickt werden. Obwohl das Phaenomen des Flaming nicht geleugnet werden kann, wird seine Verbreitung wahrscheinlich ueberschaetzt, etwa weil Flaming dem populaeren Klischee, im Netz herrsche "Anarchie" entspricht. Ueber spektakulaere "Flame Wars" wird deswegen haeufiger gesprochen als ueber sachlich interessante und fundierte Diskussionen. Die Ueberschaetzung mag jedoch auch daher ruehren, dass Flames beim Lesen der News oft sofort ins Auge stechen (Verfuegbarkeitsheuristik: bei der Schaetzung von Ereigniswahrscheinlichkeiten ueberschaetzt man Ereignisse, die durch Auffaelligkeit, Wiederholung o.ae. gut im Gedaechtnis "verfuegbar" sind) und zudem negative Emotionen induzieren (Negativity Bias: negativ valenten Ereignissen wird grundsaetzlich mehr Aufmerksamkeit geschenkt als positiven). Da im Netz Regelverstoesse sehr verbreitet sind und zudem aufgrund der Vielfalt der Meinungen prinzipiell fast jede Nachricht von einigen Lesern als provozierend aufgefasst werden kann, ist es zur Aufrechterhaltung einer sinnvollen Netzkommunikation notwendig, dass minderschwere Regelverletzungen und Provokationen einfach ignoriert werden. Es kann also vermutet werden, dass Flaming insgesamt kein universelles Netzphaenomen in dem Sinne darstellt, dass prinzipiell jeder Netznutzer zum Flamer wird, sondern dass es sich eher um ein punktuelles Phaenomen handelt. Flaming hat u.a. psychohygienische Funktionen (der Flamer reagiert negative Emotionen ab) und sanktionierende Funktionen (beim Angeflamten werden negative Emotionen induziert, teils mit dem Ziel negativ bewertetes Verhalten zu betrafen und damit zu reduzieren). Die psychologischen Mittel beim Flaming bestehen darin, den Adressaten oeffentlich als dumm, unfaehig, amoralisch, arrogant, pervers, gefuehllos, unsensibel o.ae. hinzustellen und ihn auszugrenzen. Ausgrenzung ist ein klassisches und effektives Sanktionsmittel, da Ausgeschlossenwerden Gefuehle der Ohnmacht, Wut, Hilflosigkeit und Einsamkeit ausloest. Ausschluss aus der Gemeinschaft wird von Kirchen (Exkommunikation), Staaten (Ausbuergerung), Schulen (Schulverweis), Universitaeten (Relegation), Familien (Verstossen) etc. eingesetzt, und ist natuerlich auch im Netz zu finden. Der "weiche" Ausstoss beruht darauf, dem Adressaten mitzuteilen, dass er unerwuenscht ist, der harte Ausstoss erfolgt lokal durch Entzug des Account oder weitere Massnahmen (z.B. strafrechtliche Verfolgung), letzteres ist jedoch vergleichsweise selten und oft gar nicht effektiv durchfuehrbar (schliesslich kann sich der Ausgesperrte auf einem anderen System einen Account besorgen oder z.B. von Bekannten besorgen lassen). "Regelverletzungen" koennen konsensuell feststellbar sein, wenn sie sich auf die Netz-Etikette, auf moralische Normen oder Gesetze beziehen. Idiosynkratische Regelverletzungen entstehen durch Kollision von Netz- Publikationen mit dem persoenlichen Weltbild einzelner Netznutzer. Es gibt unterschiedliche Moeglichkeiten, auf Regelverletzungen zu reagieren: a) der Netznutzer bemerkt keine Regelverletzung b) der Netznutzer bemerkt eine Regelverletzung, beschliesst jedoch, sie zu ignorieren c) der Netznutzer bemerkt eine Regelverletzung und macht dies explizit durch eine sachliche Bemerkung deutlich (privat per Email an den Adressaten) d) der Netznutzer bemerkt eine Regelverletzung und macht dies explizit durch eine sachliche Bemerkung deutlich (oeffentlich a) in den News, b) Email an Systemverwalter) e) der Netznutzer bemerkt eine Regelverletzung und formuliert einen Flame (privat) f) der Netznutzer bemerkt eine Regelverletzung und formuliert einen Flame (oeffentlich) Auf die beim Posten des Fragebogens vorgenommene und sehr auffaellige Regelverletzung des mehrfachen Postings anstelle von korrektem Crossposting wurde folgendermassen reagiert (s. Tab. 7): - Eine Person schickte einen Flame. - Sechs Personen teilten mit, dass sie multiples Posting entdeckt hatten. - Fuenf Personen schickten eine Anleitung fuer korrektes Crossposting. Insgesamt reagierten also nur 11 (3%) von 307 antwortenden Netz- nutzern auf das multiple Posting, d.h. 97% der Respondenten bemerkten die Regelverletzung nicht oder entschieden sich, nicht auf sie zu reagie- ren. Dass letzteres zumindest auf einen Teil der Probanden zutrifft, ist deswegen zu vermuten, weil die in der Fragebogeninstruktion gewuenschte Veraenderung der "Subject:"-Zeile immerhin von 127 Respondenten (42%) vorgenommen wurde, wobei der Blick dann zwangslaeufig auf den Header und damit auch auf die "Newsgroups:"- Zeile faellt. Mit einem Flame war die Flaming-Rate erwartungskonform sehr gering. Netzverhalten erscheint in diesem Beispiel keinesfalls so normen- und disziplinlos wie oft gemutmasst. Da fuenf Personen aussagekraeftige, teilweise recht ausfuehrliche, Erklaerungen fuer korrektes Crossposting schickten, ist zu vermuten, dass "Newbies" genau wie in "Real Life" auch in der "Virtual Reality" die Chance haben, aus Fehlern zu lernen, ohne sofort ausgegrenzt zu werden. Moeglicherweise spielt Flaming als Sanktionsmittel formaler Verstoesse gegen die Netiquette eine geringere Rolle als in der Auseinandersetzung um weltanschauliche Fragen, in der sich die Aeusserungen gegenseitig hochschaukeln koennen, waehrend "netztechnische" Fragen relativ eindeutig zu klaeren sind. Insgesamt wurden drei Antworten als Flames kategorisiert, weil sie per- soenliche Angriffe enthielten ("weitergeleitete Scheisse", "dumme Diskussionen", "vorgefasste Meinung", vgl. Tab. 8). Von den drei Flames bezog sich einer auf multiples Posting (vgl. Tab. 7), die anderen beiden Flames zielten auf die vermutete Zielsetzung der Umfrage (vgl. 2.3.2) und auf die Kategorisierung von Einkommen ab. Die Kate- gorisierung von Aussagen als "Flames" ist natuerlich problematisch, zumal es sich im Netz etabliert hat, Flames (die ihrerseits einen Verstoss gegen die Netiquette darstellen) nicht in "Reinform" zu schreiben, sondern durch Disclaimer (vornehmlich Smileys) vordergruendig zu "entschaerfen". Wenn man einen persoenlichen Angriff formuliert und ihn am Ende mit einem Smiley versieht, der vorgibt, es sei ja alles gar nicht so ernst gemeint, verabreicht man dem Adressaten wohl dennoch einen aversiven Reiz (vgl. Godwin 1994). Aus dieser Sicht muessen wohl auch die uebrigen 10 Reaktionen auf das mehrfache Posting partiell als Flame gewertet werden. Neben den Netzaktivitaeten des Angeflamten (multiples Posten, Ueber- schreiten der Zeilenlaenge, Posting in thematisch falsche Newsgroup etc.) sind wahrscheinlich auch Persoenlichkeitsmerkmale des Flamers Bedingungen fuer Flaming-Verhalten. Im August 1994 wurde in der Newsgroup sci.psychology.research eine Diskussion ueber Flaming- Verhalten gefuehrt und auch darueber spekuliert, ob es moeglicherweise einen "Typus" des Flamers gibt, der selbst selten Threads eroeffnet, dafuer aber haeufig und rasch mit provozierenden Bemerkungen in bestehende Threads eingreift. Aufgrund der geringen der Zahl der in dieser Untersuchung eingegangenen Flames und fehlender Angaben ueber die Flamer, bleiben diese Annahmen ungeprueft. Auch eine gravierende und eindeutige Verletzungen der Netiquette wie mehrfaches Posting wird moderat beantwortet: Reine Flames sind sel- tener als sachliche Erklaerungen, was dafuer spricht, dass Netzkommuni- kation nicht automatisch Flaming als Massenphaenomen erzeugt. [Anmerkung: die Verwendung eines "falschen" Crossposting zur Untersuchung des Flaming Verhaltens scheint vertretbar, weil der Fragebogentext nur 8 Kbyte gross war und zudem beim multiplen Posting zum Teil auf extrem gering frequentierte Gruppen wie etwa maus.mathe zurueckgegriffen wurde, so dass de facto einzelnen Netznutzern, die fuer ihren Netzzugang fuer Verbindungszeit und Volumen bezahlen muessen, kein finanzieller Schaden entstanden sein duerfte. Zudem wird allen Beteiligten der Umfrage dieser Ergebnis- bericht zugaenglich gemacht.] 2.4.11. Was gab den Anstoss zur Netznutzung? Waehrend Netznutzer keinesfalls aus dem "normalen" sozialen Leben ausgeschlossen und von "realen" Beziehungspartnern isoliert sind, bleibt umgekehrt einem Grossteil der Bevoelkerung die Online Welt ver- schlossen. Viele moegen dies vielleicht gar nicht als Verlust empfinden oder sogar als Schutz vor vermeintlichen Negativfolgen der Netznutzung begreifen, andere weisen auf die Gefahr der Entstehung einer Zwei- Klassen-Gesellschaft aus Netzkundigen und Netzunkundigen hin. Wie es sich bislang abzeichnet, werden Frauen zu den Unkundigen gehoeren. Bevor man voraussetzungsvolle Konstrukte ueber besondere Persoen- lichkeitsmerkmale von Frauen zur Erklaerung ihrer Unterrepraesentanz im Netz heranzieht, lohnt es sich zu beleuchten, auf welche Weise Maenner ueblicherweise mit dem Netz in Kontakt kommen. Dazu wurde explorativ die die bewusst offen gehaltene Frage gestellt: "Was gab Ihnen den Anstoss zur Beschaeftigung mit dem Netz?". Die Antworten liessen sich grob in sieben Kategorien sortieren, die jedoch weder ueberschneidungsfrei noch erschoepfend sind: 1. Information und Kommunikation (81 Nennungen): email, weltweite Erreichbarkeit, News, Informationen, Datenbanken 2. Studium/Ausbildung (78 Nennungen): Uni, Studium, Uni-Account, Diplomarbeit, Seminare, mein Lehrer 3. Neugier und Interesse (74 Nennungen): Interesse, Faszination, Neugier, technischer Spieltrieb, das Netz war da 4. Mailboxszene (45 Nennungen): Migration aus lokalen Mailboxen, provinzieller Charakter des Z- Netzes, aus Fido-Netz 5. Beruf (32 Nennungen): Beruf, Arbeit, dienstlich notwendig, durch die Firma, Hiwi-Job, Nebenjob 6. Andere Personen (29 Nennungen): Freunde, Kommilitonen, Kollegen, im Wohnheim wurde taeglich ueber IRC gesprochen 7. Medienberichte (9 Nennungen): TV-Bericht, Zeitungsartikel, Fachzeitschriften Da die allgemeinbildenden Schulen nur einem Bruchteil der Schueler- innen und Schueler grundlegende Kenntnisse im Umgang mit der neuen Technologie vermitteln, kommen viele erst in Studium oder Beruf mit dem Netz in Beruehrung, speziell wenn sie im technischen Bereich taetig sind. Neben ausbildungs- und berufsbedingten aeusseren Anstoessen spielt auch die intrinsische Motivation zur Auseinandersetzung mit der Technologie eine grosse Rolle: dass das Netz "da war", war vielen ausreichender Grund, sich dafuer zu interessieren und hobbymaessig damit zu beschaeftigen, zumal sinnvolle Anwendungen wahrgenommen wurden. Weiterhin spielten Tips von Freunden und Bekannten eine Rolle, waehrend Medienberichte offensichtlich nur selten den Anstoss gaben. Es zeichnet sich ab, dass unter Bedingungen, in denen der Technik-Be- reich in Ausbidung und Beruf sowie im Freizeitbereich ueberwiegend von Maennern dominiert ist, und gleichzeitig Netzeinweisung fast ausschliesslich im Kontext dieser Domaenen - nicht jedoch standard- maessig in allgemeinbildenden Schulen - stattfindet, bestehende Zugangsbarrieren stabilisiert werden. Allerdings ist zu beachten, dass der Frauenanteil im Netz in der Regel _unterschaetzt_ wird, etwa weil Frauen durch die Verwendung maenn- licher Namen ihr Geschlecht nicht zu erkennen geben, weil sie weniger oder weniger auffaellig (z.B. provokativ) posten oder weil sie das Netz weniger spielerisch und freizeitorientiert, sondern staerker sachorientiert nutzen (z.B. Abfrage von Datenbanken) und deswegen z.B. in Netzum- fragen, die ueber die News abgewickelt werden, weniger gut erreichbar sind. 3. Zusammenfassung und Diskussion Vermutungen ueber Isolation und Einsamkeit bei Netznutzern konnten in dieser Untersuchung zurueckgewiesen werden. Die befragten Netznutzer waren im Durchschnitt weder besonders isoliert, noch ueberdurchschnitt- lich einsam. Auch mehrjaehrige Netznutzung hatte nicht zur Dege- neration oder Substitution von persoenlichen Beziehungen ausserhalb des Netzes gefuehrt. Nicht einmal die Gruppe der MUD-Spieler war besonders einsamkeitsgefaehrdet. Die Ergebnisse sprechen insgesamt fuer eine Ergaenzungshypothese, nach der elekronische Kommunikation andere Kommunikationsformen ergaenzt und sich soziale Netzwerke durch zusaetzliche, "reine" Netzkontakte mit geographisch entfernten Kommunikationspartnern erweitern. Besonders einsam waren erwartungsgemaess jene Respondenten, die nur enige Freunde und Bekannte und keine Partnerschaft hatten. Solche Isolationsprobleme stehen allerdings mit Netznutzung in keinerlei Zusammenhang. Die befragten Netznutzer schienen das Netz nicht eskapistisch zur Rea- litaetsflucht, sondern eher konstruktiv zur Alltagsbewaeltigung einzu- setzen: Sie beschafften sich Informationen fuer den Urlaub, fuer ihr Hobby oder fuer eine Diplomarbeit, kauften und verkauften Ein- richtungsgegenstaende, Eintrittskarten und Computerteile, fanden Diskussionspartner und WG-Bewohner und fuehlten sich gut un- terhalten. Ein groesseres Problem als der angebliche Ausschluss von Netznutzern aus dem "normalen" sozialen Leben, ist umgekehrt der Ausschluss grosser Bevoelkerungsteile aus der elekronischen Welt. Nach wie vor ist das Netz ein Medium, von dem in erster Linie gut ausge- bildete Maenner zwischen 20 und 30 Jahren profitieren. Studium, Beruf und Hobby geben ihnen meist den Anstoss zur Auseinandersetzung mit dem Netz, fuer andere Bevoelkerungsgruppen, insbesondere fuer Frauen, bestehen noch erhebliche Zugangsbarrieren. Einsamkeit bei Netznutzern scheint zu grossen Teilen ein Phaenomen der interpersonalen Wahrnehmung (Stigmatisiung, Stereotypisierung) zu sein und sollte auch aus dieser Perspektive untersucht werden, d.h. es waere zu ermitteln, welche Urteilermerkmale Einsamkeitszuschreibungen bedingen (handelt es sich z.B. um Projektionen eigener Einsamkeit auf die Gruppe der Computer-/Netznutzer, oder um eine Legitimation eigener Computerabstinenz aufgrund von Kompetenzdefiziten etc.). Stigmatisierende Zuschreibungen von Beziehungsunfaehigkeit und Asozialitaet an die Adresse der Computernutzer gehen nicht nur idio- synkratisch vom Urteiler aus, sondern werden durch spezifisches Selbstdarstellungsverhalten von Mitgliedern der Netzgemeinde gefoer- dert, die zum Teil durchaus einen gewissen Insider-Duenkel hegen, Widerborstigkeit pflegen oder einer kompromisslosen Hingabe an das Metier huldigen (vgl. Helmers 1994: 30, 32, fuer eine detaillierte und wohlwollende Beschreibung der Selbststilisierungen der Netzszene). Merkmale, die von Computerkritikern als bedenkliche Symptome der Verwahrlosung und psychischen Beeintraechtigung gewertet werden koennten und bei Aussenstehenden Befremden und Ablehnung aus- loesen, gehoeren in Insiderkreisen zum gewohnten Habitus, was darauf hindeutet, wie stark die Diskussion um angeblich objektive Gefahren der Netznutzung durch subjektive Wertungen darueber, wie man "richtig" leben soll, gepraegt sind. Die Beziehungen zwischen Einsamkeit und Computernutzung im Para- digma von Eindrucksbildung (Impression Formation) und Eindrucks- lenkung (Impression Management) zu analysieren bedeutet nicht, psychosoziale Gefahren durch Netze auf "blosse" Vorstellungen (soziale Konstrukte) von Akteuren zu reduzieren. Die bislang vorliegenden empirischen Daten geben zwar wenig Auskunft ueber das in der oeffent- lichkeit haeufig diskutierte Suchtpotential des Netzes, trotzdem sollten pathogene Auswirkungen, selbst wenn sie ein Minderheitenproblem darstellen, natuerlich nicht marginalisiert werden. Da es moeglicherweise schwer ist, aktuell Betroffene zu erreichen, koennten biographische Interviews mit Netznutzern, die problematische Phasen ihrer Computer- taetigkeit hinter sich haben, systematischere Hinweise ueber die Gefahren der Netznutzung bieten, als die bislang prominenten anekdotischen Einzelfaelle. Literatur Barth, T. (1991). Informationsparadies kontra Maschineller Charakter? 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Anhang Tab. 1: Ruecklauf der Frageboegen nach Eingangsdaten Tab. 2: Ruecklauf der Frageboegen nach Newsgroups Tab. 3: 24-Stunden-Group-Traffic Tab. 4: Group Traffic und Antwort-Raten Tab. 5: Einsamkeitswerte der kommentarlosen und skeptischen Probanden Tab. 6: Im Netz gefunden... Tab. 7: Reaktionen auf multiples Posten Tab. 8: Alle Flames Tab. 9: Orginaltext des Fragebogens ....................................................................... TAB. 1: Ruecklauf der Frageboegen nach Eingangsdaten August September Oktober ...................................................... 1. 40 1. - 2. 22 2. - 3. 9 3. - 4. 10 4. - 5. 12 5. - 6. 6 6. 1 7. 8 7. - 8. 5 8. 2 9. 3 9. 1 10. 1 10. - 11. 2 11. - 12. 2 12. - 13. 3 13. - 14. 1 14. - 15. - 15. - 16. - 16. - 17. 1 17. - 18. 3 18. - 19. 2 19. - 20. 1 20. - 21. - 21. - 22. - 22. - 23. - 23. - 24. - 24. - 25. - 25. - 26. 1 26. - 27. 1 27. - 28. - 28. 1 29. 1 29. - 30. 91 30. - 31. 77 ...................................................... 169 133 5 307 ....................................................................... TAB. 2: Ruecklauf der Frageboegen nach Newsgroups n % n % ................................................ de.org.ccc 49 14 49 18 Kieler Netztage 43 12 -- -- de.talk.sex 38 11 38 14 de.soc.kontakte 25 7 25 9 de.rec.fahrrad 24 7 24 9 de.comm.isdn 22 6 22 8 de.alt.drogen 21 6 21 8 de.comp.sys.amiga.misc 21 6 21 8 lokale Bretter 20 6 -- -- de.soc.familie 12 3 12 4 de.etc.finanz 11 3 11 4 de.alt.sport 11 3 11 4 zer.t-netz.jokes 9 2 9 3 fido.ger.boerse 7 2 7 3 de.soc.politik 7 2 7 3 zer.z-netz.freizeit.musik 6 2 6 2 maus.mathe 3 1 3 1 Keine Angabe 21 6 -- -- ................................................ 350 100 266 100 Anmerkungen: In der Tabelle sind die Newsgroups in der Rangreihe ihrer Beteiligung an der Umfrage dargestellt. Die bereinigten Anteils- und Prozentwerte der Gruppen (ohne Kiel, lokale Bretter, keine Angabe) werden zusaetzlich berichtet (vgl. Tab. 4). ....................................................................... TAB. 3: 24-Stunden-Group Traffic 10.10.- 11.10.- 12.10.- 11.10.94 12.10.94 13.10.94 n % n % n % nges %ges ....................................................................... de.org.ccc 18 6 15 5 10 3 14 5 de.talk.sex 61 20 47 18 20 7 43 16 de.soc.kontakte 5 2 7 2 16 6 9 3 de.rec.fahrrad 36 12 40 14 32 11 36 12 de.comm.isdn 19 6 13 5 11 4 14 5 de.alt.drogen 24 8 12 4 12 4 16 5 de.comp.sys.amiga.misc 33 10 27 10 33 12 31 11 de.soc.familie 6 2 5 2 7 3 6 2 de.etc.finanz 18 6 19 7 18 6 18 6 de.alt.sport 14 4 12 4 12 4 13 4 zer.t-netz.jokes 15 5 18 6 20 7 18 6 fido.ger.boerse 11 3 8 3 37 13 19 6 de.soc.politik 46 15 31 11 41 14 39 13 zer.z-netz.freizeit.musik 4 1 23 8 14 5 14 5 maus.mathe 1 0 2 1 3 1 2 1 ....................................................................... 311 100 279 100 286 100 292 100 Anmerkungen: An drei aufeinanderfolgenden Tagen wurden jeweils alle Artikel aus- gezaehlt, die in den 15 befragten Newsgroups innerhalb von 24 Stunden erschienen. Es zeigte sich, dass , und die vergleichsweise belebtesten Gruppen waren (Sum- marische Trafficzahlen ueber den jeweils letzten Kalendermonat sind in zu finden!). ....................................................................... TAB. 4: Group-Traffic und Antwort-Raten Group-Traffic Anwort-Raten n % n % ....................................................................... de.org.ccc 14 5 49 18 +13% de.talk.sex 43 16 38 14 de.soc.kontakte 9 3 25 9 +6% de.rec.fahrrad 36 12 24 9 de.comm.isdn 14 5 22 8 de.alt.drogen 16 5 21 8 de.comp.sys.amiga.misc 31 11 21 8 de.soc.familie 6 2 12 4 de.etc.finanz 18 6 11 4 de.alt.sport 13 4 11 4 zer.t-netz.jokes 18 6 9 3 fido.ger.boerse 19 6 7 3 de.soc.politik 39 13 7 3 -10% zer.z-netz.freizeit.musik 14 5 6 2 maus.mathe 2 1 3 1 ....................................................................... 292 100 266 100 Anmerkungen: Die in Tabelle 3 errechneten durchschnittlichen Anteilswerte und Pro- zentzahlen zum Group-Traffic werden mit den Teilnehmer-Raten verglichen. Waehrend von den 15 betrachteten Newsgroups die Gruppe einen Anteil von nur 5% an allen Postings der 15 Gruppen hat, stammen 18% der beantworteten Frageboegen aus dieser Gruppe. Ueberproportional vertreten war auch , dem- gegenueber kamen nur 3% der Frageboegen aus der Gruppe , obwohl diese mit einem Artikelanteil von 13% eine eher belebte Gruppe ist. Diese Angaben moegen zum Teil teil- nahmekritische Unterschiede zwischen den Rezipienten und Produzenten einzelner Newsgroups wiedergeben, sind aber auch Resultat der (z.B. vom Alphabet bestimmten) Reihenfolge, in der die Gruppen gelesen werden. ....................................................................... TAB. 5: Einsamkeitswerte der kommentarlosen und skeptischen Probanden Kommentarlose Skeptische Respondenten Respondenten (n=303) (n=15) ....................................................................... 1. Ich fuehle mich wohl mit den Menschen 1,96 (0,70) 1,80 (0,94) um mich herum. (-) 2. Ich habe genug Gesellschaft. (-) 2,07 (0,89) 1,73 (0,79) 3. Ich habe niemanden, an den ich mich 1,30 (0,65) 1,20 (0,56) wenden kann. 4. Ich fuehle mich allein. 1,71 (0,92) 1,46 (0,63) 5. Ich habe einen Freundeskreis. (-) 1,65 (0,92) 1,66 (1,29) 6. Ich habe viel gemeinsam mit den Menschen 2,56 (0,87) 2,40 (1,05) um mich herum. (-) 7. Ich fuehle mich niemandem nah. 1,56 (0,98) 1,40 (0,82) 8. Die Leute um mich herum haben ganz 2,44 (0,85) 2,40 (0,98) andere Interessen und Ideen als ich. 9. Ich bin ein geselliger Mensch. (-) 2,67 (0,96) 2,46 (0,99) 10. Ich habe Menschen, die mir nahe stehen. (-) 1,62 (0,90) 1,46 (0,91) 11. Ich fuehle mich ausgeschlossen. 1,42 (0,69) 1,20 (0,79) 12. Meine Freundschaften sind oberflaechlich. 2,03 (0,93) 1,73 (0,79) 13. Niemand kennt mich wirklich. 2,00 (1,06) 1,60 (0,82) 14. Ich fuehle mich von den anderen isoliert. 1,39 (0,72) 1,20 (0,56) 15. Ich kann mit anderen zusammensein, wenn 1,76 (0,78) 1,60 (0,73) ich das will. (-) 16. Es gibt Menschen, die mich wirklich 1,93 (1,01) 1,33 (0,48) verstehen. (-) 17. Ich bin zu viel allein. 1,85 (0,96) 1,66 (0,81) 18. Die anderen Menschen haben es schwer, 2,39 (1,04) 2,06 (0,96) an mich heranzukommen. 19. Ich habe Menschen, mit denen ich 1,55 (0,81) 1,46 (1,06) sprechen kann. (-) 20. Ich habe Menschen, an die ich mich 1,49 (0,76) 1,46 (0,91) wenden kann. (-) ....................................................................... 1,87 (0,40) 1,66 (0,38) Anmerkungen: Die Tabelle zeigt die umgepolten Itemmittelwerte (je hoeher der Wert, umso mehr Einsamkeit) fuer die kommentarlosen und skeptischen Respondenten. ....................................................................... TAB. 6: Im Netz gefunden... "Ich habe im Netz gefunden:_________" (in alphabetischer Reihenfolge) Kontakte Ver/Kauf Zugriff auf Psychologische zu Personen von Waren Informationen Gratifikationen .................................................................. Bekannte Buecher Hilfe bei Amusement Hardwarproblemen Dikussions- CDs Hilfe bei Anerkennung partner Softwareproblemen EX-Freundin Computer Informationen fuer Anregungen Diplomarbeit Freunde Computerteile Informationen neues Hobby Geschaefts- Einrichtungs- Medizinische neue Inter- partner gegenstaende Datenbanken essengebiete Gespielinnen Eintrittskarten Tips Ruhe Fussball WM Hobbypartner Fahrrad Tips fuer Hobby Spass (z.B. Fisch fangen) Interessen- Festplatte Universitaet Unterhaltung gemeinschaft WG-Mitbewohner Kaeufer fuer Urlaubsanregungen 1 MB Ram Leute mit Kaeufer fuer Urlaubsmoeglichkeiten gleichem Hobby alten Ramsch (z.B. Winzerfest) Mail-Bekannte Grafikkarte Urlaubsziele in USA/Kanada Mail-Freund- fremsprachige Programmierauf- schaften Literatur gaben Irc-RP Software Kochrezepte Mud-Treffen fremdsprachige Literatur Netzhappenings Modem Spielkreise Kuehlschrank Vordenker Flohmarktsachen .................................................................. Anmerkungen: Die meisten Nennungen kamen mehrfach vor; auf eine genaue Quanti- fizierung wurde verzichtet, da es zunaechst darum ging, die Vielfalt der Moeglichkeiten zu zeigen. Die Klassifikation ist induktiv gewonnen und unscharf, hier waeren weitere Erhebungen und Ueberlegungen sinnvoll. ....................................................................... TAB. 7: Reaktionen auf multiples Posting Vorbemerkung: Aus Dokumentationsgruenden werden die Mails voll- staendig abgedruckt. Dies geschieht anonym und war im Fragebogen angekuendigt worden. Alle Mails bezogen sich in der Subject-Zeile auf die Umfrage. Da die Veroeffentlichung fuer die Autoren der Mails keinerlei (v.a. keinerlei negative) Konsequenzen haben kann und es sich gleichzeitig angesichts von Art und Umfang der Texte und deren Verwendung in einem wissenschaftlichen Ergebnisbericht nicht um Urheberrechtsverletzungen handelt, scheint mir der Abdruck vertretbar. Die Reaktionen wurden in drei Gruppen eingeteilt: a) Flames gegen muliples Posting, b) Festellungen, dass es kein Crossposting war und c) Erklaerungen fuer korrektes Crossposting. A) Flame gegen multiples Posting (1) "Das ist kein Crossposting, sondern mehrmals weitergeleitete Scheisse. Das verschwendet enorme Bandbreite. Bevor du weiter solche Netzressourcen verschwendest, mach dich erstemal kundig." B) Feststellung, dass es kein Crossposting war (1) "--> dies ist ausnahmsweise ein Crossposting Ist es nicht, oder Du hast es mehrfach gepostet... *boese schau*" (2) "--> dies ist ausnahmsweise ein Crossposting Das ist gelogen. Siehe "Newsgroups:" Zeile." (3) "--> dies ist ausnahmsweise ein Crossposting Ne, ist es nicht. Es ist ein Einzelposting in x Newsgroups, mit sowas macht man sich extrem unbeliebt. Von daher duerfte der Ruecklauf erheblich schlechter ausfallen, als ihr erwartet habt, bzw. die Umfrage ist noch weniger repraesentativ als ohnehin schon (Antworten nur von Newbies)." (4) "--> dies ist ausnahmsweise ein Crossposting Ist es nicht (siehe Newsgroups: Zeile). Du hast das gleiche Posting _mehrfach_ gepostet, zumindest in: de.alt.drogen, de.alt.sport, de.comm.isdn, de.rec.fahrrad, de.etc.finanz, de.org.ccc (Ich kriege nicht alles aus de.*). Das kostet _sinnlos_ Uebertragungszeit, Plattenplatz, u.a.m. bei Leuten, die Dir fast nie etwas Boeses getan haben. So etwas nennt man im Usenet nicht Crossposting, sondern Spam, und das aktiviert sehr leicht die Cancelbots. Wenn man Leute durch die Form des Ansprechens veraergert, kriegt man wesentlich weniger Antworten - allerdings nur von Leuten, die beim Newslesen aufpassen. D.h. die Umfrage ist nicht mehr repraesentativ." (5) "heilix blechle, musst du in weiss-der-geier-wievielen (ich scan stuecker 20) newsgroups crossposten? Ever heard of 'nettiquettes'? Jojo, das musste mal raus" C) Erklaerung fuer korrektes Crossposting (1) "--> dies ist ausnahmsweise ein Crossposting Ist es nicht, auch wenn Tin fehlerhafterweise eine seiner Funktionen so benannt hat. Es sind nur einfach ganz viele Postings und die werden mir auch jedes Mal angezeigt anstatt wie bei einem richtigen Crossposting nur ein Mal. Zur Lektuere empfehle ich die Netiquette. Fuer den Anfang mal den relevanten Teil daraus: 'ist nicht empfehlenswert. Wenn Sie dennoch ein Crossposting (durch Angabe mehrerer Gruppennamen in der "Newsgroups:"-Zeile ) in die Welt setzen, lenken [fehlende Woerter] Die Trennung erfolgt durch Kommas. Ansonsten darf nichts zwischen den Newsgroup-Namen stehen.' Wenn man das nicht befolgt blamiert man sich maechtig durch die Verwendung falscher Begriffe. Ausserdem wird man viele mehr oder weniger nette Hinweise auf das Fehlverhalten bekommen. " (2) "--> dies ist ausnahmsweise ein Crossposting Naechstes Mal bitte alle Gruppen direkt hintereinander in die Newsgroups: Zeile schreiben, dann markiert der Newsreader die News in allen Gruppen als READ. Thanks in advance" (3) "Hallo Nicola, dies war kein Crossposting. Du hast Deinen Artikel stattdessen in alle Gruppen _einzeln_ gepostet. Das hat den Nachteil, dass Dein Artikel mehrmals transportiert und gespeichert werden muss. Ausserdem erscheint er beim News-Lesen in allen Gruppen, obwohl man ihn schon gelesen hat. Crossposting macht man, indem man beim Posten bei dem Eintrag fuer die Newsgroups die Liste aller Gruppen (durch Komma getrennt) angibt, in die man posten will. Bitte mach' das in Zukunft so. Viele Gruesse" (4) "--> dies ist ausnahmsweise ein Crossposting Wenn es eins gewesen waere, waer's noch ertraeglich. Crossposting heisst nicht "20 mal einzeln in 20 Gruppen posten", sondern "einmal in 20 Gruppen gleichzeitig posten". Dazu gibst Du _alle_ Gruppennamen auf der Newsgroups:-Zeile an. Der Vorteil ist, dass ich den Artikel nur in einer Gruppe lesen muss und ihn dann nicht mehr zu Gesicht bekomme. P.S. Du hast verloren. Ich hab schon drei identische Umfragen dieses Jahr ausgefuellt, das reicht mir. Was mich noch interessieren wuerde: Tausch ihr Soziodingsis euch eigentlich inhaltlich aus, oder ist Dir nicht bekannt, dass das schon x mal gemacht wurde? Darf Dein Prof das wissen? :-)" (5) "Schon mal was von Crossposting gehoert? Wer stellt eigentlich Fragen zu einem Objekt, das er oder sie so ungenuegend kennt? Netiquette, so ein paar Newuser-Artikel und ein paar Howto-Artikel wuerden ja wirklich gut tun. PS: unten mehr PPS: Crossposting besteht in der Angabe mehrerer News-Gruppen im Newgroups:-Header (ohne Leerzeichen, mit Komma getrennt). Gute News-Reader zeigen dem Leser solche Artikel nur einmal." ....................................................................... TAB. 8: Alle Flames Vorbemerkung: s. Vorbemerkung TAB. 7! (1) "Das ist kein Crossposting, sondern mehrmals weitergeleitete Scheisse. Das verschwendet enorme Bandbreite. Bevor du weiter solche Netz- ressourcen verschwendest, mach dich erstemal kundig." (2) "Herrje, ich bin ein kleiner, schmaechtiger Informatiker, der wenig mit seiner Umwelt gemeinsam hat. Ich habe Minderwertigkeitskomplexe und keinen Freundeskreis, zu Parties gehe ich sowieso schon mal nicht, weil ich mich unter vielen Menschen nicht wohl fuehle. Ich habe nur Freunde, die ich ueber das Internet gewonnen habe, denn da bin ich was, da habe ich einen Namen, da bin ich stark. Und da stoebere ich in dem alt.sex. Baum rum, denn eine Frau anzusprechen traue ich mich nicht. Ich werde mich in Zukunft noch viel mehr mit dem Internet befassen und so an meiner Vereinsamung arbeiten. - Das ist es doch, was Ihr hoeren wollt? Anstatt dumme Diskussionen zu fuehren, solltet Ihr lieber etwas Produktives machen." (3) "- Ziel dieser Umfrage ist es sozialwissenschaftliche Informationen zu erhalten, um deine vorgefasste Meinung ueber die Einsamkeit des Email-Nutzers am PC zu bestaetigen. - mehr als 4000 DM Warum beschaeftigst du dich nur mit gering Verdienenden. Lt. linker Meinung ist man damit doch noch Sozialhilfeempfaenger an der Ar- mutsgrenze. Ich geh mal davon aus, dass die Email-Nutzer im Schnitt fast 6TDM monatlich verdienen und sehr viel drueber liegen. Besonders dieser Fragenblock beleuchtet doch deine Meinung aus 22 Blickwinkeln, aber immer denselben Punkt: [zitiert Item 18, 19, 20 der UCLA Loneliness Scale und Items zu Identitaet und Selbstwertgefuehl] Du entschuldigst, dass ich unter diesen Umstaenden mich nicht an der Umfrage beteilige." ....................................................................... TAB. 9: Originaltext des Fragebogens Subject: Vorsicht kleine nette Umfrage **** Vorsicht -- Attention **** -> dies ist ausnahmsweise ein Crossposting. ...nicht (!) kommerziell ...(semi-)off-topic Lesen bitte auf eigene Gefahr! ***kurze wissenschaftliche Umfrage*** fuer alle Netz-TeilnehmerInnen Nicola Doering, TU Berlin 1. HINTERGRUND Ziel dieser Umfrage ist es, sozialwissenschaftliche Informationen ueber Netz-Benutzer und Netz-Interessenten zu sammeln. Verantwortlich: Nicola Doering, TU Berlin, Institut fuer Psychologie, FB 11 Maschinenbau und Konstruktionstechnik. Die Umfrage ist anonym und dient rein wissenschaftlichen Zwecken. Um ein aussagekraeftiges Ergebnis zu erzielen, ist es wichtig, dass moeglichst viele Netz-BenutzerInnen den Fragebogen vollstaendig ausfuellen. Unvollstaendige Frageboegen koennen nicht in die Auswertung einbezogen werden. Der Fragebogen wurde fuer eine Paper-and-Pencil-Befragung entworfen und ich habe ihn auf den 2. Kieler Netztagen vom 25.8. bis 28.8.1994 verteilt. Bislang sind 45 Antworten eingegangen. Ideal waere es, wenn noch etwa dieselbe Anzahl von Antworten auf dem online Wege dazukaeme. Damit haette man eine recht aussagekraeftige Stichprobe, auf die dann die statistische Auswertung sinnvoll aufsetzen kann. Ein ausfuehrlicher Ergebnisbericht der Umfrage kann per Email angefordert werden bei *Nicola.Doering@TU-Berlin.de* und wird nach *de.org.ccc* gepostet sowie in alle NewsGroups, aus denen Personen geantwortet haben. Fuer Unterstuetzung durch Ausfuellen des Fragebogens - dauert ca. 5 bis 10 Minuten - bin ich sehr dankbar. Das Weitergeben des Fragebogens an Bekannte, Freunde etc. ist ausdruecklich erwuenscht. Ebenso ist sinnvolles Crossposting (v.a. in lokale Mailboxen) gerne gesehen. DANKE. 2. GEBRAUCHSANLEITUNG Beim Ausfuellen einfach daran denken, dass die Antworten verstaendlich sind. Es gibt 3 Arten von Fragen - hierzu Beispiele: 1. Multiple Choice: ** Golfspieler - ja + - nein 2. Rating-Skala: Ich finde, Frageboegen sind Quatsch. stimmt gar nicht - wenig - teils-teils - ziemlich - voellig 3. Offene Frage: ** Wieviele Computer besitzen Sie zur Zeit? ______ Zwei (AT und 486er) Bei Rueckfragen einfach PM an mich. Ergaenzungen, Hinweise, Kritik sind immer willkommen und werden auch dokumentiert. Die Formatierung des Fragebogens ist nicht optimal - aber hoffentlich zur Verstaendigung ausreichend. Viel Spass beim Ausfuellen! Den *vollstaendig* ausgefuellten Fragebogen bitte per PM an mich (Subject: Fragebogen) - bei Bedarf Anon-Service nicht vergessen!! Ansonsten wird ohnehin der Header abgeschnitten. P.S.: "fast taeglich" bedeutet "taeglich oder fast taeglich" (s.u.) ********************************************** 3. DER FRAGEBOGEN ** Newsgroup (bzw. Brett, Echo), aus der dieser Fragebogen entnommen wurde: ___ ** Geschlecht - maennlich - weiblich ** Alter in Jahren: __ ** Familienstand bzw. Lebenssituation zur Zeit - verheiratet/feste Partnerschaft - lockere Beziehung/en - alleinstehend ** Anzahl meiner guten Freunde (die mir z.B. bei Problemen helfen wuerden): ca. __ ** Anzahl meiner Bekannten (die ich z.B. zu einer Party einladen wuerde): ca. _ ** Hoechster bisher erreichter Schulabschluss - 8. Klasse - 9. Klasse - 10. Klasse - 11. Klasse - 12. Klasse - 13. Klasse - Abitur - Berufsschule - Fachhochschule - Universitaet - anderes: __ ** Ausgeuebte Taetigkeit/en - Ausbildung: __ - Studienfach/faecher: __ - Berufstaetigkeit/en: __ ** Durchschnittliches Netto-Einkommen pro Monat - bis 1000 DM - bis 2000 DM - bis 3000 DM - bis 4000 DM - mehr als 4000 DM ** Internet Benutzung - seit wieviel Monaten am Netz? Seit: __ ** durchschnittliche Kosten fuer eigene Netz-Nutzung pro Monat in DM: ca. ___ ** Was gab Ihnen den Anstoss zur Auseinandersetzung mit dem Internet? ____ ********************************************* Welche Internet-Dienste werden von Ihnen wie oft und wie lange genutzt? ** Email*** - fast taeglich - 2/3 pro Woche - 1mal pro Woche - 2/3mal pro Monat - seltener - nie durchschnittliche Dauer einer Email-Sitzung in Minuten:_ ** Netnews*** - fast taeglich - 2/3 pro Woche - 1mal pro Woche - 2/3mal pro Monat - seltener - nie durchschnittliche Dauer einer Netnews-Sitzung in Minuten:__ ** Ftp, WWW, WAIS etc.*** - fast taeglich - 2/3 pro Woche - 1mal pro Woche - 2/3mal pro Monat - seltener - nie durchschnittliche Dauer einer Ftp-Sitzung in Minuten:__ ** MUD, MUSE etc.*** - fast taeglich - 2/3 pro Woche - 1mal pro Woche - 2/3mal pro Monat - seltener - nie durchschnittliche Dauer einer MUD-Sitzung in Minuten:__ ** IRC*** - fast taeglich - 2/3 pro Woche - 1mal pro Woche - 2/3mal pro Monat - seltener - nie durchschnittliche Dauer einer IRC-Sitzung in Minuten:__ ** anderes: ___ - fast taeglich - 2/3 pro Woche - 1mal pro Woche - 2/3mal pro Monat - seltener - nie durchschnittliche Dauer einer Sitzung in Minuten:___ ************************************************** ** In Zukunft werde ich vermutlich - mehr Zeit - weniger Zeit - genauso viel Zeit im Netz verbringen. ** Anzahl wichtiger Personen in meinem Leben, mit denen ich *nie* uebers Netz kommuniziere: ca. ___ ** Anzahl wichtiger Personen in meinem Leben, mit denen ich *nur* uebers Netz kommuniziere: ca. ____ ** Anzahl wichtiger Personen, mit denen ich sowohl mit als auch ohne Netz kommuniziere: ca. ____ ** Ich habe durch das Internet gefunden: - Ehe/Lebenspartner - Freunde und Bekannte - Fachkollegen - Arbeitsstelle - Wohnung - anderes: ____ ************************************************* Bitte kreuzen Sie bei jeder Aussage an, welche Antwort am besten auf Sie zutrifft. 1. Ich fuehle mich wohl mit den Menschen um mich herum. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 2. Ich habe genug Gesellschaft. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 3. Ich habe niemanden, an den ich mich wenden kann. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 4. Ich fuehle mich allein. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 5. Ich habe einen Freundeskreis. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 6. Ich habe viel gemeinsam mit den Menschen um mich herum. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 7. Ich fuehle mich niemandem nah. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 8. Die Leute um mich herum haben ganz andere Interessen und Ideen als ich. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 9. Ich bin ein geselliger Mensch. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 10. Ich habe Menschen, die mir nahestehen. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 11. Ich fuehle mich ausgeschlossen. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 12. Meine Freundschaften sind oberflaechlich. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 13. Niemand kennt mich wirklich. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 14. Ich fuehle mich von den anderen isoliert. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 15. Ich kann mit anderen zusammensein, wenn ich das will. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 16. Es gibt Menschen, die mich wirklich verstehen. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 17. Ich bin zu viel allein. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 18. Die anderen Menschen haben es schwer, an mich heranzukommen. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 19. Ich habe Menschen, mit denen ich sprechen kann. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 20. Ich habe Menschen, an die ich mich wenden kann. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 21. Ich wuerde gerne jemand anderes sein. stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig 22. Ich bin sicher und selbstbewusst stimmt gar nicht -- wenig -- teils-teils -- ziemlich -- voellig *** ENDE *** Vielen Dank fuer Ihre Mithilfe! ********************************************************************** ...................................................................... (c) 1995 Nicola Doering EOF