[gir-l] Wie "wahr" sind Ergebnisse aus Online-Befragung?

Jochen Musch musch at psychologie.uni-mannheim.de
Tue Feb 3 16:58:35 CET 2004


Hallo Monika,

> ich bin auf der Suche nach Literatur und Studien zu der Frage, wie "wahr"
> die Antworten der Probanden von Online-Befragungen sind, ob bzw. wie weit
> entfernt die Ergebnisse von den "true scores", den "wahren Werten" sind. 

das haengt u.a. stark von der sozialen Erwuenschtheit (oder gar
Strafbarkeit) der erfragten Meinungen und Verhaltensweisen ab.  
Typischerweise korreliert die Bereitschaft zur Bejahung eines
Iteminhalts - oft zu r = .9 - mit seiner sozialen Erwuenschtheit; die
Antwort auf ein Item erfasst also in erheblichem Masse dessen soziale
Erwuenschtheit und keineswegs nur die tatsaechliche Meinung oder das
Verhalten des Antwortgebers.

Das Ausmass der Verzerrung (durch Nichtbeantwortung des Fragebogens
oder durch unehrliche Antworten) wird dabei stark von der situativ
bedingten Bereitschaft bestimmt, auch sozial unerwuenschte Antworten
zum Ausdruck zu bringen. Die gaengigste Methode, Umfrageteilnehmer
dazu zu ermuntern, ist die Herstellung groesstmoeglicher Anonymitaet.
Eine Moeglichkeit hierzu (geeignet vor allem fuer krasse Faelle, zum
Beispiel zur Erhebung strafbewehrter Verhaltensweisen wie
Steuerhinterziehung) ist die Randomized-Response-Technik, mit deren
Hilfe man haeufig dramatische Verzerrungen bei der Beantwortung
"sensibler" Fragen aufdecken kann:

Musch, J., Broder, A., & Klauer, K. C. (2001). Improving survey 
research on the World-Wide Web using the randomized response 
technique. In. U. D. Reips & M. Bosnjak (Eds.), Dimensions of Internet 
science  (pp. 179-192). Lengerich, Germany: Pabst Science Publishers.

Einen guten Ueberblick ueber (und ersten Einstieg in) diese und andere
Methoden zur Kontrolle sozialer Erwuenschtheit bieten:

Nederhof, A. J. (1985). Methods of coping with social desirability 
bias: A review. European Journal ofSocial Psychology, 15, 263-280

DEMAIO, Theresa J.: Social Desirability and Survey Measurement: A 
Review. In: Turner, C. F.; Martin E. (Hrsg.): Surveying Subjective 
Phenomena 2. New York, 1984, S. 257-282

Antonak, R. F. & Livneh, H. (1995). Randomized response technique: A 
review and proposed extension to disability attitude research. 
Genetic, Social, and General Psychology Monographs, 121, 97-145. 

Viele Gruesse,
Jochen

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Jochen Musch
Allgemeine und Differentielle Psychologie
Universitaet Mannheim
Schloss Ehrenhof Ost 240
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